Viele Kriege wurden aus Ehrgeiz und Machtstreben begonnen, aber noch keiner wegen Faulheit. Insofern glaube ich, dass Faulheit ungerechtfertigt einen schlechten Ruf hat, zumindest die Faulheit, die andere nicht negativ beeinträchtigt. Wenn der Lümmel an der Fresstheke sich also lieber die Eier krault und auf seinem Handy herumtippt, statt die Bestellungen der hungrigen Meute aufzunehmen, hat er meiner Meinung nach immer noch den Rohrstock verdient. Es gibt aber andere Posten, bei denen es vermutlich ganz vorteilhaft wäre, wenn sie viel fauler wäre. In erster Linie denke ich an Politiker.
Ja, ich weiß, manche werden jetzt erstaunt die Augen aufreißen, nach Luft schnappen, ein rotes Gesicht kriegen und gurgelnde Geräusche von sich geben. Sollte das der Fall sein: Geht zum Arzt, das klingt nicht gesund. Aber im ersten Moment erscheint es sicher komisch: Da beschwert man sich eigentlich dauernd über das faule Politikerpack, und jetzt kommt der Klopfer an und meint, Politiker wären nicht faul genug. Donnerknispel!
Peer Steinbrück hat auf einer Wahlkampfveranstaltung erwähnt, dass er in seinem Keller jede Menge französischer Glühbirnen gebunkert hat, weil er dank des EU-Verbots von Glühbirnen sonst nicht weiß, ob er in fünf Jahren noch entsprechendes Leuchtobst für seine französische Funzel finden wird. Und Altkanzler Helmut Schmidt hat 200 Stangen Menthol-Zigaretten gehortet, weil die EU solche Kippen vermutlich bald verbieten will und der Altpolitiker sichergehen will, dass er zumindest bis zu seinem 100. Geburtstag noch den Lungenkrebs füttern kann. Und wenn es danach keine Mentholfluppen mehr gibt, lohnt sich das Weiterleben sowieso nicht mehr.
Nun ist es beruhigend zu wissen, dass man als Politiker (anders als das Stimmvieh) genug Geld hat, um die negativen Folgen eines solchen Verbots mittelfristig abzufedern, eigentlich prangerte Steinbrück aber die Regulierungswut der EU-Kommission an, die einfach rücksichtslos jeden Kleinscheiß kontrollieren und einengen will. Man denke nur an das ursprünglich geplante Verbot von Olivenöl-Karaffen in Restaurants, welches erst zurückgenommen wurde, als Europa kollektiv mit "Seid ihr bescheuert?" auf die Pläne reagierte. Der Ärger über die Wasserprivatisierungspflicht ist ein weiteres Beispiel. Nun, anders als es Nicht-EU-Politiker andeuten, kommt man auf EU-Ebene eher selten auf solche Ideen wie die Jungfrau zum Kinde. Einerseits steht natürlich oft eine wahnsinnige Lobbyarbeit von Unternehmen und Organisationen dahinter, andererseits werden solche Ideen gelegentlich auch in der nationalen Politik geboren und dann - mangels direkter Umsetzungsmöglichkeit im Land - über den Umweg EU zur Pflicht für alle durchgeprügelt. (Man hätte Steinbrück ja auch mal fragen können, ob er seinem Parteikollegen Gabriel wenigstens mal die Meinung gegeigt hat, weil der auch dieses Glühbirnenverbot durchgedrückt hat.)
Und warum kommt ein Politiker auf so eine Idee? Weil er unbedingt der Meinung ist, er müsste etwas tun. Er müsste etwas bewegen. Man kommt neu in sein Amt, voller Tatendrang, die Ärmel werden hochgekrempelt und jetzt werden Probleme gelöst, jawoll! Und wenn man dann feststellt, dass sich die wichtigen Dinge nicht so schnell und einfach lösen lassen, guckt man sich halt jede Kleinigkeit in seinem Aufgabenbereich an und wenn man die Augen ganz fest zukneift, erkennt man vielleicht sogar ein Problem, welches sich ganz simpel mit einem Verbot oder einer Verpflichtung lösen lässt. Juhuu! Man hat was getan, was so richtig politisch ist, und die Bürger können sehen: Ja, der tut was!
"So, was muss ich verbieten, damit ich nicht ständig meinen Chip im Einkaufswagen vergesse?"
Dieser Aktionismus tritt nicht nur auf EU-Ebene auf, das geht bis runter auf die kommunale Ebene. Man kennt das auch in der Privatwirtschaft: Kaum ist ein neuer Manager da, MUSS er einfach irgendetwas Neues einführen und so seine Duftmarke setzen, ansonsten könnte man ja auf die Meinung kommen, dass er schwach oder nicht durchsetzungsfähig wäre. Also lieber erst mal etwas einreißen, was funktioniert oder keinen gestört hat, selbst wenn man dann nur Scheiße baut.
Es ist quasi ein grundsätzliches Problem: Man erschafft Posten, die Probleme lösen sollen, aber wenn keine echten Probleme da sind, die sich lösen lassen (bzw. so lange Zeiträume zum Lösen brauchen, dass die Inhaber dieser Posten sich die Lösung nicht mehr selbst als Erfolg ans Revers heften können), basteln sie sich ihre eigenen Probleme, die sie dann lösen können. Auch wenn wir in einer Star-Trek-Utopie leben würden, mit gesunder Umwelt, gesunden, glücklichen und satten Menschen und Kühen, ohne Energie- und Müllprobleme: Volksvertreter und Regierung müssten, um ihre eigene Existenz zu legitimieren, ständig neue Dinge finden, die sie regulieren können.
Und deswegen, liebe Leute, plädiere ich für faulere Politiker. Leute, denen es schlicht zu anstrengend ist, sich zu profilieren, die lieber damit zufrieden sind, in ihrem Büro herumzusitzen, Papierflugzeuge zu falten und bei dem ganzen Scheiß, den ihre arbeitssamen Kollegen durchdrücken wollen, einfach mit "Nö!" zu stimmen. Natürlich könnte man so auch Kosten sparen: Wer im Dienste des Volkes so faul ist, braucht auch keine Dienstreisen und nur sehr wenig Mitarbeiter.
So, Klopfer hat wieder ein Problem gelöst. Perfekt.