Wenn die Ratten kommen...
Nach meiner durchaus traumatischen Reise durch die Welt von Stefón Rudel konnten manche Leser den Gedanken offenbar nicht ertragen, dass ich mich bald davon erholen könnte, und empfahlen mir die Werke der deutschen E-Book-Sensation Simone Kaplan. Ich hatte bereits von ihr gehört, aber den Erzählungen nicht viel Beachtung geschenkt, schließlich würde ich ja sowieso nie über ihre Werke stolpern. Ich bin ein unverbesserlicher Optimist.
Mit morbider Neugier wartete ich also darauf, dass bald wieder eines ihrer berüchtigten Werke auf Amazon gratis angeboten werden würde, denn angesichts der miserablen Rezensionen war mir vollkommen klar, dass ich den Schaffensdrang der Autorin nicht mit finanzieller Zuwendung anheizen sollte. Bald hatte ich das, was ich bei anderen Büchern vielleicht als Erfolg bezeichnen würde: Die Geschichte „Wenn die Ratten kommen..... dann bist du verloren !!“ gab es einen Tag lang kostenlos. Normalerweise müsste man dafür 2,75 Euro bezahlen, denn diese Geschichte ist mit höchstens 20 bis 25 A4-Seiten Umfang noch eines der umfangreicheren Werke Kaplans. (Die Geschichte gibt es jetzt auch als gedrucktes Buch – mit 26 Seiten Umfang.)
Die Inhaltsangabe möchte ich gerne im Original wiedergeben, um nichts von der Wortgewalt Kaplans einzubüßen:
Ein Rattenrudel das nur auf die Gelegenheit wartet endlich in ein frisches Fleisch zu beißen....Durch Zufall finden sie Geschmack an Menschenfleisch und stürzen sich gnadenlos darauf....
Shane eine androgyne Frau mit charmanten Boylook zieht die Frauenwelt magisch an. So auch Monice aus reichem Haus..Für sie ein aufregendes Abenteuer einmal mit einer Frau. Für sie wäre es das 1.Mal . Deshalb treffen sie sich in diesem alten Haus .Denn ihre Familie darf auf keinen Fall von dieser verbotenen Liebe erfahren.
Doch was sie nicht ahnen....ein Rattenrudel wohnt ebenfalls dort .
Nach einem Streit verlässt Shane Monice wütend .Monice will Shane folgen, doch sie tritt in ein Rattenloch und bleibt verletzt liegen.
Das Rattenrudel stürzt sich auf die wehrlose Monice. Sie haben leichtes Spiel mit ihr, denn sie ist allein und ihnen gnadenlos ausgeliefert.....
Es beginnt ein Kampf auf Leben und Tod.....
Ihr merkt, dass es echt ernst ist, denn die letzten Sätze enden mit gleich fünf Punkten! Wer nicht viel Zeit zum Lesen hat, dürfte wirklich glücklich über diese Inhaltsangabe sein, denn er weiß jetzt ungefähr, was in den ersten drei Vierteln der Geschichte passiert.
Das Grauen beginnt in Santa Barbara in Kalifornien. Ein junges Liebespaar kommt aus dem Kino und ist ganz schön rattig. (Ha!) Allerdings können James und Marla ihre Geilheit nicht daheim ausleben, da die bucklige Verwandtschaft in Form von Eltern oder Geschwistern Ohrenzeugen des Treibens werden könnten. Doch James hat eine wunderbare Idee: Er kennt da ein verfallenes Haus, in dem man bestimmt ungestört den Lurch versenken könnte.
Im alten Haus gab es mehrere Räume . Die Decken waren teilweise eingestürzt . Irgendjemand hatte ein weichen Teppich zurückgelassen.
Ja, ein einsturzgefährdetes Haus mit einem gammligen Teppich, da möchte man doch gerne die Nacht verbringen. Marla ist jedenfalls total begeistert und lässt sich enthusiastisch von James begatten, bevor sie beide sich auf dem ollen Fetzen schlafen legen.
Gerade als die beiden selig schnuffeln, kommt ein Schatten aus dem Dunkel und schnuppert an den Körpern, bevor sich Marla bewegt und der Schatten in einem Rattenloch verschwindet.
Nach einigen Minuten tauchte der Schatten wieder auf, dass sich im fahlen Mondlicht als eine Ratte entpuppte.
Wer konnte ahnen, dass sich hinter dem Schatten, der in einem Rattenloch verschwindet, eine Ratte verbergen könnte? Da hat Frau Kaplan aber echt erstklassig die Spannung aufgebaut. Die Ratten in dem Haus sind jedenfalls alle hungrig, weil sie bereits sämtliche Nahrung der näheren Umgebung verputzt haben und sich Vögel und Wuschelhäschen schon gar nicht mehr in die Nähe des Hauses trauen.
Die junge Schattenratte knabbert dann kurz am Ohrläppchen der Gevögelten und labt sich am frischen Blut. Marla wacht zwar kurz auf, merkt aber nichts und knackt gleich wieder weg. Daraufhin entdeckt die Ratte den Fußfetischisten in sich und rammt ihre Beißer in den großen Zeh der Frau. Sie stellt schnell fest, dass sie nicht nur den Geschmack von Blut, sondern auch den von Menschenfleisch mag. Marla wacht natürlich durch den Schmerz wieder auf, packt sich an den Fuß und macht einen höllischen Terz, der auch James aufweckt.
„Was...was zum Teufel ist denn los Liebling...?“ Schlaftrunken rieb sich James die Augen . Er drehte sich um und ....sah direkt in James entsetzte Augen ... Ihre Hände waren blutverschmiert...
Tja, da wacht man auf, guckt in seine eigenen Augen und die Ische hat die Hände voller Blut. Was würdet ihr denn dann denken?
„Jetzt beruhige dich wieder Darling. Was hast du denn ?“ James konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen was in Marla gefahren war.
Ja genau. Die Olle wacht blutverschmiert mit schmerzendem Fuß auf, da ist es wirklich ein gottverdammtes Rätsel, warum sie sich ein klein wenig aufregt. Jedenfalls können sie den Tritt in eine Glasscherbe als Ursache ausschließen, da das am Zeh eindeutig eine Bisswunde ist.
„Vielleicht war es eine herumstrolchende Katze . Wahrscheinlich hat sie in der Nähe Junge und fühlte sich von uns bedroht.“ ,schlussfolgerte er und nahm Marla zärtlich in die Arme. Marla beruhigte sich wieder ein wenig. Der Gedanke an einer verwilderten Katzenmutter war tröstlich.
Simone Kaplan hat die deutsche Sprache wirklich in ihrem Würgegriff. Allerdings halte ich es für ein Gerücht, dass sich eine Katzenmutti, die ihre Jungen verteidigen will, so ruhig verhält, anstatt wild zu fauchen und zu beißen.
Das Pärchen kommt mit dem Schrecken davon, die Ratte vergisst die Begebenheit auch schnell. Ich bin sicher, dass ihr da sehr erleichtert seid.
Der nächste temporäre Einwohner der Ruine hat nicht so viel Glück. Es ist ein Obdachloser, der sich einige Jahre nach der Rückkehr aus dem Vietnamkrieg in die Arme der Alkoholsucht flüchtete, nachdem er feststellen musste, dass seine große Liebe inzwischen drei Kinder von einem anderen Mann hatte. Er schnüffelt an der Decke, mit der sich das Liebespaar zugedeckt hatte, und wird beim Duft des Parfüms richtig wehmütig, bis er schließlich einschläft. Ein kurzer Schmerz an seinem Daumen motiviert ihn lediglich dazu, seine Wodkaflasche ganz zu leeren, bevor er wieder das Bewusstsein verliert.
Die Ratten kosten an dem Vagabunden und stellen fest: Joah, besser schmeckt’s bei Mutti auch nicht. Also fangen sie genüsslich an, den Landstreicher anzumampfen. Der wacht schließlich wieder auf, bemerkt etwas Weiches auf seinem Bauch, was er für Rattenscheiße hält, und spürt einen stechenden Schmerz in seinen Eingeweiden. Mühsam holt er ein Feuerzeug hervor.
Mit zitternden Hand beleuchtete er jetzt seinen Bauch und......erschrak..... Übelkeit erfasste ihn...sein Magen rebellierte..bei dem Anblick !!!! Das was er vorher als weichen Rattenkot annahm...war in Wirklichkeit ein Stück von seinem .....DARM !!! Und das was er als warm und klebrig auf seiner Kleidung spürte...war nichts anders...als sein eigenes ....BLUT !!!!
Die Ratten fressen sich also schön durch seinen Leib, die Finger sind auch schon abgenagt, schließlich springt ihm eine auch noch ins Gesicht und frisst sein rechtes Auge. Und dann ist er hin.
Als sich der Landstreicher nicht mehr rührte...fielen sie nun endgültig über ihn her.
Ja, bis eben haben sie noch gespielt, aber jetzt, wo sie so viel von ihm gefressen haben, dass er abgekratzt ist, da machen sie Ernst. Jedenfalls ist das Rattenrudel (Stefón?) jetzt endgültig auf dem Menschenfleischtrip. Los, fürchtet euch!
Shane und Monice kennt ihr ja schon aus der Inhaltsangabe, also muss ich sie euch gar nicht groß vorstellen. Shane zieht sich – wie bereits gesagt – sehr jungenhaft an, was eine erstaunliche Wirkung auf die Mitmenschen hat.
Keine Frau war sicher vor Shanes androgyne Anziehung. Die Männer verwechseln sie oft mit einem Jungen was nicht selten mit Anmache einging. Doch Shane fühlte sich nur von Frauen angezogen.
Ich glaube, die meisten Männer würden keine Person anmachen, die sie für einen Jungen halten, aber ich bin auch total heterosexistisch und habe meine Critical Hetness noch nicht entwickelt.
Shane ist jedenfalls gerade beim Nur-Mädels-Abend in der Disco und hat sich ein Mädel ausgeguckt. Monice kennt Shane schon, denn die hat Monices Mutter die Haare frisiert. Als Monice das erwähnt, fällt es Shane auch wie Schuppen aus den Haaren, denn besagte Mutter ist eine berühmte Opernsängerin.
„Madam Moussee ist deine Mom?“ Shane verschlug es die Sprache. Erneut überzog Monice Gesicht eine leuchtende Röte.Verlegen nickte sie nur. Ihr war das sichtlich peinlich mit ihrer berühmten Mom in Verbindung gebracht zu werden.
Nun, Prinzesschen, dann hättest du ihr vielleicht nicht sagen sollen, dass du die Tochter einer ihrer prominenten Kundinnen bist. Hohle Nuss. Die beiden tanzen jedenfalls noch einen Klammerblues und versprechen, sich nächste Woche wiederzusehen.
Shane tratscht dann mit ihrer Mitbewohnerin Lisa über Monice. Lisa ist der Meinung, dass Shane sie nie wiedersehen wird, ändert aber rasch ihre Meinung, als Shane ausplaudert, dass Monice die Tochter der Berühmtheit ist, die sie häufiger striegelt. Also gehört Shane ja quasi schon zur Familie. Ein Problem könnte da allerdings noch auftauchen.
„Sie ist übrigens ein strigth-Girl!“ (umgangssprachlich für : hetero)
Oder wie der Engländer schreibt: straight. (Simone Kaplan hat ein anderes ihrer Bücher inzwischen ins Englische übersetzt. Es liest sich genau so, wie man erwarten würde. Hoffentlich kündigen die Alliierten uns deswegen nicht den Waffenstillstand vom 8. Mai 1945 wieder auf, wenn die das lesen.)
Beim nächsten Treffen von Shane und Monice werden sie so richtig saftig aufeinander und gehen zunächst zu Shane, weil Monice dann doch mal ausprobieren will, wie Sex ohne beteiligten Pimmel so ist. Dummerweise platzt Lisa ins Zimmer und stört die traute Zweisamkeit. Zwar verzieht sie sich auch sofort wieder, als sie merkt, wie der Hase läuft, aber Shane ist aus irgendeinem Grund der Meinung, dass ihr Domizil für die Ferkeleien nicht geeignet ist. Also fährt sie mit Monice zu dem verfallenen Haus. Monice findet es geil.
„Ich habe früher immer „Die fünf Freunde „ und „TKKG“ gelesen. Ich wollte immer solche Abenteuer einmal erleben. „Sie sah Shane strahlend an.
Hach ja, denken wir nicht alle öfter an die alten Geschichten von den „Fünf Freunden“ und von Tim, Karl, Klößchen und Gaby, in denen die Kids in alte Häuser eingestiegen sind, um dort ungestört zu bumsen? Müssen Sondereditionen für Kalifornien sein.
Bei der Besichtigung des Gebäudes fällt das Gerippe des Obdachlosen gar nicht auf, weil die Weiber nur Augen füreinander haben. Knattern wollen sie dann aber doch lieber unter freiem Himmel. Keine Ahnung, ob sie sich dafür ein Zimmer mit Loch in der Decke gesucht haben oder draußen pennen, das hat die Autorin vergessen zu erwähnen. Die Frauen sündigen schließlich kräftig und sind dabei so ungestüm, dass selbst die Ratten, die seit zwei Wochen kein Fleisch mehr hatten, sich nicht auf diese Triebtiere stürzen wollen.
Einige Tage später macht sich Shane wieder für ein neues Treffen mit Monice fein, als ein Schnösel mit einem Sportwagen vorgefahren kommt, sich als Monices Bruder vorstellt und ihr unfein nahelegt, gefälligst die Zunge von Monice zu lassen, da die schließlich einen Freund hätte und sich bald verloben würde. Das wirft natürlich einen Schatten auf das Picknick mit Monice, die ihr dann erklärt, dass ihr Bruder ein Vollidiot ist, sie mit ihrem Freund schon vor dem Treffen mit Shane Schluss gemacht hätte und das mit der Verlobung totaler Stuss wäre.
In Shane nagen aber dennoch die Zweifel. Sie schleudert Monice dann entgegen, dass sie nicht zusammenpassen würden.
Shane drehte sich wortlos um. Die Tränen von Monice machte sie unendlich wütend. Sie füjlte sich selber hilflos „Ich ich hab es satt...satt mir vorwerfen zu lassen ich sei nicht gut genug für dich. Deshalb..Monice ..am besten du nimmst wieder deinen Freund und verlobst dich mit ihm.“ dann rauschte sie an eine völlig verdatterte Monice vorbei.
Ja, sie hat es so satt, dass ihr irgendein Trottel ein einziges Mal gesagt hat, dass sie nicht gut genug für seine Schwester wäre. So eine Mimose würde vermutlich immer dann aus einer Beziehung flüchten, sobald eine der Frauen ihre Tage bekommt und dabei etwas zickig wird.
Shane rennt also weg, ohne auf das zu hören, was Monice ihr hinterher ruft. Wäre allerdings besser, wenn sie es nicht so eilig hätte, denn Monice latscht versehentlich in ein Rattenloch, knallt auf den Boden und verliert das Bewusstsein. Und die Ratten binden sich schon die Lätzchen um.
Während die Ratten tatsächlich anfangen, die inzwischen wieder erwachte Monice anzunagen, kommt Shane wütend nach Hause. Ihre Mitbewohnerin Lisa quetscht aus ihr erst einmal heraus, was eigentlich passiert ist, und erklärt ihr dann, dass sie ne doofe Pute ist, wenn sie sich von dem Bruder so beeinflussen lässt. Widerstrebend fährt sie wieder zu der Ruine und entdeckt dort ihre lädierte Freundin. Monices angeschwollener Huf steckt immer noch im Rattenloch und kommt nicht mehr raus. Also setzt sich Shane neben sie und verjagt die Ratten mit einer Eisenstange. Um zu verhindern, dass die Ratten den Fuß in ihrem Rattenloch anknurpsen, steckt Shane einige brennende Zweige ins Loch. Ich habe auch keine Ahnung, wie sie das tun kann, wenn da der Fuß drinsteckt, aber wenn Simone Kaplan die deutsche Sprache schon so übel zurichtet, hat Logik vermutlich keinen besseren Stand.
Gerade als die Ratten einen Großangriff starten, fängt es heftig an zu regnen. Der Boden wird weich, also kann Shane Monice freischaufeln. Gemeinsam humpeln sie zur Straße, halten ein Auto an und schaffen es ins Krankenhaus. Sie werden ein Paar, das Haus wird abgefackelt und alle Monsterratten sterben dabei. Was für ein schönes Ende, und auch noch so unspektakulär. Dieses E-Book war wirklich alles Geld wert, das ich dafür ausgegeben habe.
Nach dem Genuss der Geschichte – zweifellos ein Zeugnis von Simone Kaplan in Höchstform – kann ich nur an die Menschheit appellieren: Sollten sie und Stefan Knapp sich je kennenlernen und verlieben, sterilisiert bitte beide, bevor sie ein Kind produzieren. Nicht auszumalen, was für Bücher die Lendenfrucht bei diesen genetischen Voraussetzungen schreiben würde.