Klassische Musik zum Balzen
Ich habe heute in der Zeitung gelesen, dass Tokio Hotel ein Comeback planen. Wer sich noch so gut an den Hype um die Band erinnert, der wird sich erst dazu zwingen müssen, den Zeitraum bis heute als lang genug anzusehen, um tatsächlich glauben zu können, dass sich jemand in nostalgischer Verklärung ein Comeback wünschen könnte. Die waren ja auch nur ein paar Jahre weg. (Und das nicht mal wirklich, die Kaulitz-Zwillinge taten in der DSDS-Jury zwischenzeitlich ja auch so, als wären sie Talentscouts.)
Für mich ist das Anlass genug, auf noch ältere Musik zurückzublicken, so ungefähr vom Beginn des letzten Jahrhunderts über die wilden Zwanziger bis in die Dreißiger. Und während meine Haltung zum musikalischen Gehalt der damaligen Musik eher ambivalent ist, so wünsche ich mir doch ein Comeback der kauzigen Texte.
Ich kann dein grünes Seidenkleid nicht leiden
Ich kann dein grünes Seidenkleid nicht leiden
Und nur deswegen lasse ich mich scheiden.
Heiter wird das Beziehungsende verkündet, obwohl der Mann abgesehen vom grässlichen Fummel der Angetrauten ansonsten ganz zufrieden mit ihr ist. Dennoch: Die Toleranz eines Mannes kennt halt auch Grenzen, und mit dem Erwerb des besagten Seidenkleids ist der Rubikon eindeutig überschritten worden. Eine einfühlsame Behandlung eines Konfliktpotenzials in einer Beziehung, welches von Außenstehenden heutzutage oft als oberflächlich abgetan und ignoriert wird.
Du bist in letzter Zeit so schrecklich blond geworden
Dieses Lied hat zwar nicht die inhaltliche Würze wie der vorherige Beitrag, aber heutzutage beschweren sich so viele Frauen darüber, dass ihre Männer nicht mal mitkriegen, wenn die Frau was an ihrer Frisur geändert hat, dass ich das Lied als Beweis dafür anbringen wollte, dass Männer damals einfach viel aufmerksamer und galanter waren.
Am schönsten sind die Mädchen, wenn sie baden gehen
Am schönsten sind die Mädchen, wenn sie baden gehen.
Im Schmuck der Kleider sind sie leider halb so schön.
Am schönsten sind die Mädchen doch im Schwimmtrikot,
Alle Gaben, die sie haben, sieht man selten so.
Eine kleine Hymne für den Voyeur, der in jedem heterosexuellen Mann ruht und immer dann herauskommt, wenn man an den Strand geht und die knapp bekleideten Leiber der anwesenden Weiblichkeit goutiert. Diese nur natürliche Reaktion wird heutzutage leider immer mehr verunglimpft, deswegen ist es wieder einmal Zeit für so ein Lied.
Wenn du mich küsst, spielt mein Herz Militärmusik
Wenn du mich küsst, spielt mein Herz Militärmusik
Und sofort steht die Liebe "Habt Acht!"
Wenn du mich küsst, spielt mein Herz ein Paradestück,
Dass es schallt, dass es knallt, dass es kracht.
Welcher halbwegs erfahrene Mann kennt das nicht? Ein Kuss von der Liebsten, und der Penis macht mobil, man möchte in ihr Höschen einmarschieren, als wenn es Polen wäre, und man wünscht sich, sie würde einem auf der Flöte ordentlich den Marsch blasen. Dieses Lied von 1933 macht deutlich, dass Liebe durchaus ein aggressives Verlangen nach der Entsendung vieler kleiner weißer Soldaten in Richtung des weiblichen Uterus anfachen kann. Selten wurde die Romantik der Liebe stärker mit der Romantik des Krieges verflochten.
Ich frag Madam', wann kommen wir zusamm
Der Neger hat sein Kind gebissen
Der Neger hat sein Kind gebissen, hou, hou,
Warum nur tat er uns nicht küssen, hou, hou,
Denn wenn man es den Weibern zeigt,
Wollen auch geküsst sie sein,
Wollen auch geküsst sie sein.
Ein rätselhafter Text, der von der reinen Beobachtung der bizarren Essgewohnheiten des besagten Negers über den durchaus homoerotisch angehauchten Wunsch nach Zärtlichkeit bis hin zur Erkenntnis gelangt, dass Frauen absolut rattig werden, wenn sie sehen, wie ein Neger zuerst ein Kind beißt und dann mit einem weißen Mann knutscht. Oder so.
Paula, mach' die Bluse zu
Ach Paula, mach' die Bluse zu,
Du bist doch sonst so nett.
Man sieht ja deinen zarten Teint,
Sogar was vom Korsett.
"Ach Paula, mach' die Bluse zu!",
Ruft schon das ganze Haus.
Dass du so offenherzig bist,
Das hält ja keiner aus!
Wer glaubt, dass Fettes Brot mit dem Lied "Bettina, pack deine Brüste ein" thematisches Neuland betreten hätten, der irrt. Fast 100 Jahre früher appellierte Ludwig Arno an eine gewisse Paula, sie möge sich doch bitte züchtiger anziehen. Das Lied dürfte heutzutage besonders einige männliche Hörer aus dem arabischen Raum ansprechen, in denen Frauen grundsätzlich dazu angehalten sind, sich wie ein Ninja anzuziehen, um nicht versehentlich die komplette anwesende Männerschaft zu erotisieren.
Die Braut vom Alexander, die geht so auseinander
Die Braut vom Alexander, die geht so auseinander
Die war doch sonst so dünne, so dünne wie ne Spinne
Sie ernährt sich nur von Blumenkohl, und doch, und doch, wie kommt das wohl
Die Braut vom Alexander, die geht so auseinander
Wenn ihr nicht bald 'ne Kur gelingt, dann platzt sie unbedingt.
Ein unerwartet aktuelles Thema behandelt dieses Lied: Ein Mensch nimmt aus unerfindlichen Gründen zu und benötigt unbedingt den Zuspruch seiner Mitmenschen, um gesundheitliche Dauerschäden zu vermeiden. Und zumindest ein Mitmensch liefert diesen Zuspruch mitsamt einer heiteren Melodie. Schön auch der Rückgriff auf die frühere Körperform, wodurch einerseits gesagt wird: "Du kannst es doch schaffen, wieder so dünn zu werden!", aber andererseits auch: "Schöner wirst du dann allerdings auch nicht."
Gut geht's Kanada, seit die Anna da
Gut geht's Kanada, geht's Kanada, seit die Anna da,
Denn zu jedem Mann in Kanada, sagt die Anna ja.
So einfach kann Aufschwung sein: Die Anna hat ihre Niederlande zur öffentlichen Nutzung freigegeben und schon sind alle glücklich. Ich glaube allerdings nicht, dass man daraus Lehren für Deutschland ziehen könnte, da eine derartige Herzensgüte vermutlich eher wenig öffentlichen Applaus nach sich zieht, erst recht nicht von den restlichen Damen, die mit ihren eigenen Feuchtgebieten, aber unter wesentlich restriktiveren Bedingungen mit Anna konkurrieren.
Und was können wir insgesamt von diesem traditionellen Liedgut lernen? Vermutlich in erster Linie, dass die damals auch alle ganz schön versaut waren.