Fifty Shades of Grey - Geheimes Verlangen
Stephenie Meyer ist für die Kultur das, was der Erste Weltkrieg für Europa war. Sie schuf die Twilight-Bücher. Aus denen wurden die Twilight-Filme, die ich schon alle für euch durchlitten habe. Aber Twilight hat auch die Sadomaso-Fanfiction „Master of the Universe“ einer Britin im mittleren Alter namens Erika Leonard alias E. L. James inspiriert, die diese Geschichte schließlich (mit geänderten Charakternamen) als „50 Shades of Grey“ veröffentlichte. Und weil Hollywood einfach keinen Bestseller außer „Mein Kampf“ in Ruhe lassen kann, hat man sich auch daran gemacht, diese drei Bücher von E. L. James zu verfilmen. Ich wiederum bin gezwungen worden, mir den ersten Teil anzutun. Kurzes Fazit: Der Film ist besser als das Buch. Er ist trotzdem beschissen.
Sogar der Player scheint das Unvermeidliche noch lange hinauszögern zu wollen, wenn man die DVD einlegt, denn nach der Sprachauswahl werden erst einmal automatisch fünf Trailer für andere Filme (leider auch für den Nachfolger dieses Films) abgespielt. Selbst das ist so halbherzig gemacht, dass die Trailer nur auf Englisch mit deutschen Untertiteln sind, obwohl die garantiert vor dem deutschen Kinostart der betreffenden Filme synchronisiert wurden. Mehr Scheißegal-Attitüde kann so ein anonymer DVD-Mastering-Knecht gar nicht öffentlich zur Schau stellen, ohne gleich komplett die Arbeit zu verweigern.
Aber es hilft nichts: Im Vorspann sehen wir einen Typen, der durch den verregneten Tag joggt und sich dann einen Anzug anzieht, um schließlich in einem Meeting zu sitzen und voll Geschäftsmann zu sein. Außerdem verlässt eine Frau ihre Uni und geht zu ihrem KdF-Wagen. Im nächsten Moment steht sie vor dem Spiegel und versucht, nicht ganz so trist auszusehen. Sie ist nicht erfolgreich.
Ihr habt es sicher erkannt: Das ist Anastasia Steele. Und man hat sich echt Mühe gegeben, sie sehr bieder anzuziehen, damit sofort klar wird, dass sie eher so eine graue Maus ist, mit der sich die Durchschnittsfrau von heute leicht identifizieren kann. Ana macht sich jedenfalls bereit, um nach Seattle zu fahren und dort Milliardär Christian Grey zu interviewen. Eigentlich sollte das ihre WG-Genossin Kate erledigen, aber die liegt mit Grippe auf dem Sofa und äußert dezente Kritik an Anas Bekleidung, die diese jedoch einfach beiseite wischt. Die Kritik, nicht die Kleidung. Die Kleidung muss später weichen, aber ich greife vor.
Nach einer Fahrt in Kates Mercedes (wie kann sich eine Studentin so was leisten?) ist sie bei der Zentrale des Grey-Konzerns angelangt. Die Vozidas (Vorzimmerdamen) sehen alle aus wie Models (sind vermutlich auch welche) und tragen offenbar allesamt Designerklamotten, was Ana dann anscheinend doch etwas einschüchtert. Hätte sie mal auf ihre Freundin gehört.
Als wenn es nicht reicht, dass sie so underdressed ist, fällt sie beim Eintreten in Christian Greys Büro auch noch auf die Schnauze. Echt sehr geschmeidig, Ana. Der Milliardär stürmt sogleich heran, hilft dem Tollpatsch auf und begrüßt sie mit dem falschen Namen, denn natürlich hat niemand Bescheid gesagt, dass sich Fräulein Kavanagh von ihrer Busenfreundin vertreten lässt. Ana klärt das Missverständnis auf – und schmachtet schon mal Greys Anatomie an.
Für das Interview sind nur 10 Minuten veranschlagt, aber Ana verplempert ein bisschen davon, weil sie keinen Stift dabei hat und sich einen von Greys Werbebleistiften schnorren muss. Danach kann es endlich losgehen, und Ana liest hölzern die erste Frage ab, die Kate ihr aufgeschrieben hat. Worauf gründet sich der Erfolg des Milliardärs? Nun, doziert Grey, er wäre ein guter Menschenkenner, würde Talente erkennen und das Beste aus ihnen herauskitzeln. Ana vermutet, dass er auch nur Glück haben könnte, aber da er umso mehr Glück hatte, je mehr er arbeitete, findet er diese Erklärung nicht sehr überzeugend. Ana konstatiert auch, dass er ein Kontrollfreak sei, was er durchaus bestätigt. Ich frage mich, ob das ein Omen sein könnte.
Die nächste Frage ist, wieso sich der Grey-Konzern um landwirtschaftliche Projekte in Afrika und anderswo kümmert, obwohl er doch eher ein Telekommunikationsunternehmen ist. Will Grey etwa den Hunger in der Welt bekämpfen? Grey verneint das und sagt, dass es einfach ein gutes Geschäft wäre, doch Ana vermutet, dass er doch ein größeres Herz hätte, als er gerne zeigen möchte. Oh ja, Ana, du kennst ihn seit drei Minuten und hast ihn schon voll durchschaut. Das muss Schicksal sein. Christian wiederum verweist darauf, dass er nach Meinung von Leuten, die ihn gut kennen, gar kein Herz hätte. Ich wette, sein Arzt gehört nicht dazu.
Eine weitere Frage, die Ana wohl mehr aus der Fassung bringt als Christian: „Sind Sie schwul?“ Christian verneint, aber er scheint sich innerlich durchaus zu amüsieren, wie Ana sich windet und die ganze Schuld auf ihre Freundin schiebt. Er fragt sie, ob sie nicht mal Fragen stellen will, die sie selbst interessieren, anstatt nur das vorzulesen, was Kate wissen wollte. Sie guckt ihn mit großen Augen an und spricht: „Sie sagten vorhin, dass es Menschen gibt, die Sie gut kennen. Warum habe ich das Gefühl, dass das nicht stimmt?“ Weil sie ne blöde Nuss ist? Wie soll er beantworten können, wieso sie irgendwelche Gefühle hat?
Und weil gerade eh nichts Spannendes passiert, muss ich es mal sagen: Die Szene zieht sich nicht nur, sie ist auch deswegen so anstrengend, weil der Dialog darin fast durchgehend schmachtend gehaucht wird, und zwar von beiden. Ich dachte zuerst, dass das eine Macke der deutschen Synchro wäre, aber im Original ist das genauso.
Bevor er antworten kann, öffnet eine Vozida die Tür und will ihn auf den nächsten Termin aufmerksam machen, der jetzt anstehen würde, doch er weist sie an, diesen Termin abzusagen. Denn nun möchte er mehr über Ana erfahren. So erfährt er, dass es die Werke von Thomas Hardy waren, die sie zum Literaturstudium gezwungen haben, und dass sie keine Ahnung hat, was sie nach dem Abschluss machen will – mal davon abgesehen, dass sie mit Kate nach Seattle ziehen möchte. Christian bietet ihr gleich eine Praktikantenstelle an. Wenn ich mir ansehe, was für Frauen er sonst bei sich beschäftigt, sollte er Ana vielleicht vorher noch in eine Lifestyle-Show im Privatfernsehen schicken, damit sie ein bisschen aufgemotzt wird. Allerdings geht Ana selbst ein Licht auf, dass sie optisch hier eher aus dem Rahmen fallen würde.
Bei der Verabschiedung klaut Christian ihr noch den Fragenzettel aus dem Notizbuch, sie scheint das gar nicht mitzukriegen. Sie stellt sich draußen vor dem Gebäude erst mal in den Regen und atmet tief durch. Wenigstens für eine Person war es also eine schöne Erfahrung. Für mich nicht so.
Noch bevor Ana im heimischen Portland richtig zur Haustür rein ist, ist Kate schon voll begeistert, denn Christian hat tatsächlich in der Zwischenzeit den Fragenzettel komplett durchgeackert und ihr die Antworten geschickt. Wenn die das gleich per Mail erledigt hätten, wäre uns allen viel Leid erspart geblieben. Kate will auch noch wissen, wie Christian Grey denn so war, und aus Anas Beschreibungen wird ihr sofort klar, dass der Typ bei ihrer Freundin heftige Gefühlswallungen ausgelöst hat. Momentan bedauert sie allerdings, dass sie kein eigenes Foto von dem Milliardär haben. Ana schmachtet ersatzweise die Fotos von ihm an, die das Internet bei einer Bildersuche ausspuckt.
Doch bald danach muss sich Ana wieder dem Ernst des Lebens widmen, und der heißt in ihrem Fall: ihr Studentenjob als Verkäuferin in einem Eisenwarenladen. Einen besonders guten Eindruck macht sie aber erst einmal nicht, denn ihre Mutter quasselt sie während der Arbeitszeit per Handy zu. Mutti hat eine schlechte Nachricht: Weil ihr Typ sich den Huf gebrochen hat, kann sie nicht zu Anas Abschlussfeier kommen.