Die Rotlicht-Experten im Einsatz - Deutschlands Bordelle in Not
Wenn es etwas gibt, wofür RTL II garantiert nicht bekannt ist, so ist es investigativer Qualitätsjournalismus. Nichtsdestotrotz gibt es eine Sendung im Programm, die zumindest vom Titel her den Eindruck vermitteln will, dass sie das letzte Refugium echter journalistischer Arbeit im Sender wäre: Exklusiv – Die Reportage. Wenn man sich dann allerdings die Sendung anschaut, wird jegliche Illusion jäh mit dem dumpfen Knüppel des bekannten Scheißfernsehens totgeprügelt – insbesondere dann, wenn man sich die Folgen mit dem schönen Titel „Rotlicht-Experten im Einsatz – Deutschlands Bordelle in Not“ antut.
Wie kann man sich diese Episoden vorstellen? Es ist quasi „Rach, der Restauranttester“, aber ohne Christian Rach und Restaurants, aber dafür mit dahinsiechendem Puff, der durch selbst ernannte Bordellprofis auf Vordermann gebracht werden soll. Bei den kulinarischen Vorbildern hat man indes noch den Eindruck, dass da immerhin echte Menschen zu sehen sind, auch wenn sie natürlich fernsehtypisch gelenkt und inszeniert werden. Bei den Rotlichtexperten hingegen wird man das Gefühl nicht los, dass sie vom „Mitten im Leben“-Team nach einem festen Skript gedreht wurden. Und das bei einer Sendung, die sich im Titel als Reportage verkaufen will. RTL II sollte sich was schämen.
Wer sind denn aber nun die Rotlichtexperten? Der eine ist Michael Beretin, der nach eigener Aussage aus der Werbe- und Marketingschiene kommt. Die Eltern sind bestimmt stolz auf ihn. (Eine kurze Suche im Internet ergibt, dass er Pressesprecher eines Puffs in der Nähe von Stuttgart ist. Wozu braucht ein Bordell einen Pressesprecher?) Der zweite Experte ist eine Frau: Ulla Oberender ist zweifache Puffmutter. Beide verstehen also was vom Geschäft und sind absolute Sympathieträger. Na ja, nicht wirklich. Ich wollte beide schlagen, sobald ihre Visagen auf dem Bildschirm zu sehen waren.
Der aktuelle Pflegefall ist ein FKK-Saunaclub Cleopatra in Gelsenkirchen (und in Not, wie der Titel schon verrät). Und wie in hektisch geschnittenen Bildern dokumentiert wird, ist da alles dreckig und kaputt. Die Besitzer Babsi (28) und Fred (43) geben sich gegenseitig die Schuld am Misserfolg des Knattertempels. Fred meckert, dass die Babsi ihm immer wieder dazwischen funkt, Babsi hingegen findet’s scheiße, dass ihr Typ ständig im Bademantel herumsitzt, die Huren antatscht und sich sonst die Eier schaukelt (bzw. schaukeln lässt). Er ist übrigens ehemaliger Türsteher. Passt ja genau aufs Klischee, würde ich sagen. Unterstrichen wird Freds Verhalten, indem man ihn dabei zeigt, wie er Gäste vom Sofa scheucht, weil ER gerade neben der käuflichen Dame dort sitzen will. Natürlich vergrault er damit die Freier, was wiederum die Motivation bei den Dienstleisterinnen senkt.
Es ist also dringend Zeit für einen Besuch mit Rotlichtexperten und Kamerateam. Die Experten rauschen mit dem Auto an und verbringen erst einmal einige Minuten damit, darüber zu motzen, dass das Anwesen von außen nicht aussieht wie ein Puff. Nun ja, das Teil liegt mitten im Industriegebiet, da wird also eh keiner zufällig vorbeikommen, und eine riesige Leuchtreklame wie bei dem Etablissement in „From Dusk Till Dawn“ draußen ist vielleicht auf der Reeperbahn ganz angebracht, aber gerade in der Umgebung ist es vielleicht ganz gut, ein bisschen dezenter aufzutreten, zumal man ja doch einiges an Beschilderung und Lichterketten aufgefahren hat. Aber was weiß ich schon, ich bin ja kein Puffexperte, und außerdem muss ja jeder Furz zur Katastrophe aufgeblasen werden. Bevor der Schleimspacken und die Trockenpflaume aber den Laden aufräumen, muss noch etwas abgefrühstückt werden.
In den Restaurant-Sendungen darf natürlich das Verkosten des angebotenen Menüs nicht fehlen. Und demzufolge muss auch bei den Rotlichtexperten erst einmal ein Probestich erfolgen. Genau: Sie schicken ihren Testficker „Martin“ mit versteckter Kamera rein. Soll wohl heißen, dass man bei RTL II auf Firmenkosten in den Puff gehen kann – da wundert es mich doch, dass auf der Rangliste der besten Arbeitgeber in Deutschland Microsoft und Google weit vorne stehen. „Martin“ ist übrigens getrieben von dem ehrlichen Wunsch, die Welt zu verbessern. Schließlich wären die meisten Puffs eklig und er würde es als seine Aufgabe empfinden, das in Deutschland zu berichtigen.
Während der Testrammler daran geht, seine Erektion für das Wohl des Vaterlands einzusetzen, sitzen die Experten im Auto, schauen über einen kleinen Monitor und motzen wie ein altes Ehepaar über alles, was ihre Pupillen beleidigt. „Boah, guck mal, die steht gar nicht auf! Das geht ja gar nicht!“ „Und die Zigarette in der Hand, unmöglich!“ Ganz unbegründet sind die Beschwerden ja nicht. Als der tapfere Martin sich bei Babsi über die müffelnden Badeschlappen beschwert, rotzt sie ihm nur ein genervtes „Das nächste Mal bringste halt deine eigenen mit“ entgegen. Unerhört, wo er sie doch nicht einmal durch heftigen Geschlechtsverkehr maßregeln kann. (Verurteilt mich nicht wegen dieses Satzes, Hasen machen das nun mal so. ) Wie die beiden Meckerziegen im Auto aber bei der verschissenen Bildqualität erkennen wollen, dass die Matratze, auf der „Martin“ sich mit einer Arbeitskraft vergnügt, total dreckig wäre, ist mir dagegen schleierhaft.
Am nächsten Tag geht es endlich an die Arbeit. Nicht nur Fred, auch Babsi trägt die gleichen Klamotten wie am Vortag. Ja klar, Reportage am Arsch. Die Kluft zwischen den Beiden wird indes schon bei der Begrüßung klar: „Wie geht es euch?“ „Gut!“ „Schlecht!“ Nachdem das klargestellt ist, kann man endlich die Begehung des Anwesens wagen. Wirklich Neues kommt dabei nicht heraus: Dass es stinkt und dreckig ist, wurde inzwischen schon an die zwanzig Mal gesagt, dass die Mädels unmotiviert in Handtücher gehüllt dasitzen, kommt auch noch zur Sprache, aber fast das ganze kritische Pulver haben sie schon in den vielen Vorschau- und Einspielfilmchen verschossen.
Die Experten wissen jedenfalls, wie man mit Menschen umgeht. Zuerst motzt die Alte über die Einstellung der Mädels, dann meckert der Schleimer über eingerahmte Nacktfotos im Flur: „Du kannst doch hier nicht irgendwelche Playboymodels aufhängen und hast da drin die deutsche Müllabfuhr!“ Die Mädchen sind also die Müllabfuhr. Was für ein Charmeur, da wird sicherlich die Motivation der Arbeiterinnen ins Unermessliche steigen.