*seufz* [Nachtrag]
In den Medien wirft man die Begriffe gerne zusammen und formt einen schönen Katastrophenbrei. Deswegen nur eine kurze Klarstellung.
GAU - Der Größte Anzunehmende Unfall ist das größte Unglück, mit dem die Sicherheitsvorkehrungen eines Kraftwerks noch fertigwerden können. Wenn ein GAU passiert, ist es nicht schön, aber es ist ebenso wenig eine Katastrophe wie ein Autounfall, in dem alle Beteiligten dank Airbags und Sicherheitsgurten überleben.
Super-GAU - Das ist ein Unfall in einem AKW, bei dem die Sicherheitsmaßnahmen nicht mehr ausreichen. Das ist übel, denn es heißt, dass radioaktives Material des Reaktors in die Umwelt gelangt.
Momentan ist man in Fukushima I noch im Bereich eines GAU. Selbst wenn es einen Super-GAU geben wird, heißt das nicht unbedingt, dass weiträumige Bereiche schwer verstrahlt werden (wie in der Umgebung von Tschernobyl). In Tschernobyl lief die Kernreaktion weiter, es brannte der Reaktor, die ganze Chose explodierte und verteilte das Material weiträumig in der Luft.
Wenn in Fukushima eine Kernschmelze eintritt, ohne dass ein Reaktor explodiert, geben womöglich der Druckbehälter und der Sicherheitsbehälter irgendwann nach, und die ganze radioaktive Pampe frisst sich in den Boden. Das ist wirklich schlecht (auch fürs Grundwasser), aber lokal eng begrenzt und könnte nach dem Erkalten des Kerns noch vergleichsweise gut zu beherrschen sein.
(Moderne AKWs sollten eigentlich einen Auffangbehälter haben, der so entworfen ist, dass er einen geschmolzenen Kern aufnehmen kann und so lange durchhält, bis er abgekühlt und fest geworden ist. Die in Fukushima I haben so etwas aber anscheinend nicht.)
Um zu verhindern, dass die Reaktoren explodieren, wird regelmäßig Dampf abgelassen, das verringert den Druck und hat auch abkühlende Wirkung. Dieser Dampf ist radioaktiv. Normalerweise ist diese Radioaktivität nur von kurzer Dauer; wenn aber die Kernbrennstäbe beschädigt sind, können radioaktives Cäsium und Iod in die Luft und somit in den Dampf übergehen. (Außerdem wird das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten, wenn die Hülle der Kernbrennstäbe mit der Luft Kontakt hat. Der Wasserstoff war es, der nach dem Ablassen aus dem Reaktor zu den Explosionen geführt hat.)
Wie bei allem gilt auch hier: Die Dosis macht das Gift. Die Grenzwerte sind zum Glück recht vorsichtig gesetzt, es muss also nichts heißen, wenn man kurzzeitig einem Vielfachen des Grenzwertes ausgesetzt ist. Die meisten dürften nicht mehr abbekommen haben als das, was ein Pilot in einem Jahr aufnimmt.
Was ich sagen will: keine Panik bitte. Die Situation ist schlecht, aber selbst wenn eine Kernschmelze passiert, muss das kein zweites Tschernobyl werden. Je länger man es schafft, die Kühlung durchzuhalten, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit einer Kernschmelze, weil die Restwärme langsam abnimmt.
Nachtrag gegen 1.40 Uhr: In den Kommentaren hatte ich erhöhte Radioaktivitätswerte in der Präfektur Ibaraki erwähnt, inzwischen dürfte die Ursache auch klar sein: Es gab eine Explosion, der Druckbehälter von Reaktor 2 ist beschädigt, nachdem vorher schon ein paar Schäden am Containment gefunden wurden. Das ist sehr übel, denn nun kann man den Austritt radioaktiver Gase nicht mehr regeln. Mit Tschernobyl ist die Situation immer noch nicht vergleichbar, aber sie ist zweifellos sehr schlecht. Man muss jetzt sehen, wie viel Radioaktivität entweicht, welche Stoffe entweichen, in welche Richtung sie sich bewegen werden und welche Gesundheitsgefährdung davon ausgeht.
Zumindest in Ibaraki sind die Werte jetzt wieder gesunken (die Werte für Fukushima stehen nicht zur Verfügung), und es klingt so, als wenn im AKW selbst das Strahlenniveau auch wieder niedriger ist.
Wenn Tokyo aufgrund des Wetters von den Gasen getroffen wird, wird die Stadt bestimmt nicht entvölkert. Ich gehe nicht einmal davon aus, dass es unmittelbar Strahlenkranke in der japanischen Hauptstadt geben wird. Man wird vermutlich dann so einige Straßen dekontaminieren müssen und schauen, ob in den nächsten Jahrzehnten die Krebsraten steigen werden.
Ein entvölkertes Japan dürfte aber immer noch nicht drohen.
Gast
Ich freue mich das du es genauso siehst wie ich.