Mein Problem mit MacGyver 2016
Nuff! Ich grüße das Volk.
Eigentlich wollte ich ja mal eine Bravo-Fotolovestory bringen, in der nicht am Ende wild rumgeknutscht wird, aber da nur die erwachsenen Premium-Mitglieder noch einen anderen Beitrag nach der letzten Fotostory hatten und der Rest sich davon also noch gar nicht richtig erholen konnte, rede ich erst mal über etwas anderes: MacGyver.
Vor ein paar Tagen lief im US-Fernsehen die erste Folge einer neuen MacGyver-Serie. Und ich war entsetzt. Nicht, weil die Folge als solche jetzt furchtbar grottig gewesen wäre. Vermutlich wäre ich viel positiver, wenn die Serie und ihr Hauptcharakter einen anderen Namen haben würden. Aber wenn man einen alten Namen nimmt, ist das eben auch wie ein Versprechen, dass man sich am Geist des Originals orientieren würde. Und da fragt man sich schon, ob die Macher der neuen Serie tatsächlich mal einige Folgen der alten gesehen haben, anstatt sich nur am Klischee „Typ bastelt aus Alltagsgegenständen coole Sachen und besiegt damit Bösewichte“ zu orientieren.
Ein Kritikpunkt (der nicht der wichtigste für mich ist, aber genannt werden sollte) ist das Alter des neuen Angus MacGyver. Er wird gespielt von einer 26-jährigen US-Ausgabe von Matt Smith und soll laut Aussage in der Serie zwei Jahre am M.I.T. gewesen sein (nicht genug für einen Bachelor) und dann drei Jahre lang als Bombenentschärfer für die US-Armee gearbeitet haben, bis er dann beim Geheimdienst DXS landete.
Der originale MacGyver-Darsteller Richard Dean Anderson war 35, als seine Serie Premiere feierte. Sein Charakter hat allerdings zwei Studienabschlüsse in Physik und Chemie. Auch sein MacGyver hat Bomben im Krieg entschärft (damals noch im Vietnamkrieg). Doch ihm nimmt man auch dank seines Alters ab, dass er die Erfahrung haben kann, von denen seine Fähigkeiten zeugen. Selbst mit einer Begabung braucht man Zeit, um wirklich gut in einer Sache zu werden, und im Fall von MacGyver braucht es eben auch Zeit, sich beweisen zu können, um einen Ruf als universeller Problemlöser zu erlangen.
Der große Knackpunkt ist aber, wie der Charakter von MacGyver in der neuen Serie angelegt ist. Der alte MacGyver war selbstbewusst, aber eher zurückhaltend. Der neue ist eingebildet und unheimlich überzeugt von seiner eigenen Genialität. Er flirtet offensiv mit den Frauen und besteht auch sonst darauf, den Ton anzugeben. Thornton, sein Boss, ist nun eine Frau, was an sich keine üble Idee ist. Aber der Umgang mit ihr erinnert eher an Greg House und Lisa Cuddy als an den respektvollen, freundlichen Umgang zwischen dem alten MacGyver und seinem Freund Pete Thornton. (Man hat fast den Eindruck, Hollywood glaubt, dass bei weiblichen Bossen noch mehr als bei männlichen der Protagonist immer konfrontativ seinen Kopf durchsetzen muss.)
Kurz: MacGyver ist nun ziemlich blasiert, will seine Umgebung aktiv beeindrucken und ist somit eigentlich ein sehr klischeehafter Actionheld. Das ist an sich okay, aber kein MacGyver.
Ich möchte hier mal auf eine Anekdote aus der Entstehungszeit der alten Serie hinweisen: Als nach einem Hauptdarsteller gesucht wurde, haben fast alle Schauspieler, die zum Vorsprechen kamen, auf knallharten Actionheld gemacht. Richard Dean Anderson hingegen, der erst dann ein Skript vorgelegt bekam und daher den Text nicht vorher lernen konnte, bat darum, beim Vorsprechen seine Brille aufbehalten zu dürfen. Das gab ihm etwas Menschliches und Uneitles, und das war genau das, wonach die Produzenten damals suchten. (In der Serie trug er keine Brille, aber der menschliche Aspekt blieb.) Und es war eben auch das, was MacGyver so zu einer Inspiration machte: Er war nicht deswegen cool, weil er sich so cool und aalglatt verhielt, er war cool, weil er viel wusste und etwas aus dem Wissen machte. Mit ihm konnten sich die Jungs identifizieren, die ein Interesse an Naturwissenschaften und Technik hatten. Offenbar ist dieser Aspekt von MacGyvers Charakter in der heutigen Fernsehlandschaft nicht mehr gefragt.
Auch andere Charaktere aus der alten Serie tauchen verändert in der neuen Version auf. Jack Dalton, der etwas tollpatschige Flieger mit einer Schwäche für zwielichtige Pläne fürs Reichwerden, ist nun ein alter Kampfgefährte von MacGyver, ein kerniges Raubein, welches wohl auch Folter nicht ganz abgeneigt ist (auch so ein Punkt, bei dem der alte MacGyver stark protestieren würde). Nikki Carpenter, die in der alten Serie einige Folgen lang MacGyvers Kollegin ist, ist nun zunächst seine Freundin und dann … müsste ich spoilern. Sie dürfte jedenfalls in den nächsten Folgen keine Rolle mehr spielen. Das ist alles jedoch nicht so tragisch.
Neu ist die Rolle einer Hackerin namens Riley Davis, die MacGyver und Dalton aus dem Knast holen, um ihre Hilfe bei der Entschlüsselung einer Festplatte in Anspruch zu nehmen und sie schließlich ganz in ihr Team zu holen. Das ist wohl der neuen Zeit geschuldet, in der Computer und Smartphones wirklich allgegenwärtig sind, und es wäre vermutlich auch nicht sonderlich actionreich und beeindruckend, dem Haupthelden MacGyver beim Herumhacken auf einer Tastatur zuzuschauen. Eventuell dachte man auch, es wäre nicht cool oder glaubwürdig genug, wenn Mac auch noch ein Computergeek wäre.
Der Neuzugang ist daher wohl an sich keine üble Idee. Leider werden ihre Fähigkeiten zuerst mit der wohl beknacktesten Szene in der ganzen Folge demonstriert. Es sollen verschlüsselte Daten von einem Laptop geknackt werden, und die ganzen Experten des Geheimdiensts DXS kommen nicht voran. Superhackerin Riley schnappt sich einen Hammer, kloppt den Laptop damit auf, nimmt die Festplatte raus, reißt dann auch noch einen Teil der Hülle ab, sodass die Datenplatten freiliegen, und erzählt dann was davon, dass man doch die Daten direkt von der Platte lesen könnte und somit die ganzen Fallen umgehen könnte. Das funktioniert natürlich so nicht, mal ganz davon abgesehen, dass Riley mit ihrer Brutalität vermutlich sowieso mindestens einen Teil der Daten zerstört hat.
Offenbar gehen die Drehbuchautoren davon aus, dass Daten unverschlüsselt auf der Festplatte gespeichert werden und dann erst von der Hardware verschlüsselt werden, wenn man sie anzeigen/übermitteln/verarbeiten will. Wenn das so wäre, würden die Geheimdienste dieser Welt zunächst jubeln, weil sie so total einfach an fremde Daten kommen würden, und dann bitterlich weinen, weil ihre eigenen Daten dann ebenfalls quasi ungeschützt wären. In Wirklichkeit werden die Daten natürlich verschlüsselt auf einem Datenträger gespeichert und erst im Arbeitsspeicher entschlüsselt, wenn man sie braucht und den entsprechenden Schlüssel liefern kann.
Auch das ist eigentlich wieder so eine Sache, die einen sehnsüchtig auf die alte Serie schauen lassen. Auch da war zwar nicht alles so möglich, wie es gezeigt wurde, aber immerhin hatten die Grundannahmen in den allermeisten Fällen eine naturwissenschaftliche oder technisch nachvollziehbare Basis.
Ich fasse also mal die Pilotfolge des neuen MacGyver zusammen, ohne zu viel zu spoilern: Der geschniegelte Geheimagent MacGyver wird bei dem Versuch, einem Waffenhändler eine Biowaffe zu stehlen, angeschossen. Monate später stellt sich heraus, dass diese Waffe in den USA eingesetzt werden soll, und MacGyver schafft es mithilfe seines Kumpels Jack Dalton, einer inhaftierten Hackerin und seines Taschenmessers, einen Fiesling halb totzuschlagen und ihn zum Reden zu bringen, ein Flugzeug mit einem anderen Bösewicht zur Landung zu zwingen, einen Laster mit einem dritten Bösewicht darin explodieren zu lassen (nachdem Mac einen vierten Bösewicht von der Ladefläche geprügelt hat) und sich mit der Waffe und einem selbst gebastelten Gleitschirm in Sicherheit zu bringen.
Zum Vergleich mal die Pilotfolge der alten Serie: Nach der erfolgreichen Rettung eines abgeschossenen Militärpiloten in Asien wird MacGyver zu einem unterirdischen Forschungslabor geschickt, welches durch eine Reihe von Explosionen beschädigt wurde. In dem Labor gibt es ein Säureleck, welches die Trinkwasserversorgung in drei Bundesstaaten beeinträchtigen würde. MacGyver hat nur wenig Zeit, runter in das Labor zu klettern, Überlebende zu retten und das Leck zu schließen, bevor die gesamte Anlage mit Natriumhydroxid geflutet wird, um die Säure zu neutralisieren. Dank Zigarettenrauch überwindet er Sicherheitslaser, mit einem Wasserschlauch schafft er es, Trümmer aus dem Weg zu räumen und eingeschlossene Wissenschaftler zu retten. Mit einer Wissenschaftlerin aus der Gruppe geht er tiefer in die Anlage und es gelingt ihm, das Säureleck zu stopfen – mit Schokolade. Inzwischen will das Militär auch eine Rakete auf die Anlage schießen, um jede Kontamination zu vermeiden, doch Mac hat das Funkgerät verloren. Im letzten Augenblick kann er in die Kommandozentrale melden, dass er das Leck abgedichtet hat.
Man bemerke: Es kommt in meiner Zusammenfassung der alten Folge nirgendwo das Wort „Bösewicht“ vor. Es gibt keinen. Es gibt eine Gefahr durch die Zerstörungen, die bei der Explosion entstanden sind. Es gibt die latente Gefahr durch das (wohlmeinende) Militär, das drastische Maßnahmen ergreifen will, wenn MacGyvers Mission scheitert. Und es gibt den Urheber der Explosionen, der allerdings auch kein wirklicher Bösewicht ist und nicht von MacGyver oder irgendem anders verprügelt werden muss.
Man hat sich damals wohl bewusst dafür entschieden, MacGyver mit einer Folge einzuführen, in der er sich mit seinem Einfallsreichtum gegen widrige Umstände durchsetzen muss, aber nicht gegen einen großen bösen Wolf. Er kommt eher als eine Art Feuerwehrmann rüber, kein klassischer Geheimagent und Actionheld. Auch wenn MacGyver später durchaus klassische Geheimagententätigkeiten vollführt, der erste Eindruck wirkt lange nach und bestimmt das Bild, welches man von MacGyver hat.
Ich werde vermutlich noch ein paar Folgen der neuen Serie anschauen. Allerdings hab ich nicht viel Hoffnung, dass in den bereits gedrehten Episoden MacGyvers Charakter deutlicher an das Original angelehnt wird. Schade ist es allemal. Kinder und Jugendliche sollten nicht ohne einen MacGyver aufwachsen müssen, der sie inspiriert.
So, das reicht wohl mit der Jammerei. Bis dann!
PS: Das alte Intro find ich auch viel besser.
Mitglied
Na toll. Jetzt habe ich Lust MacGyver zu schauen. Das Alte. Wohlgemerkt.
Interessant auch: Deutsche Originalware kostet anscheinend fast das Doppelte, oder kannst du da einen Unterschied entdecken?