Obwohl mich die neueren Medien fest im Griff haben, schaffe ich es doch gelegentlich, meinen Blick von den ganzen Monitoren und Displays loszureißen und ein oder zwei Bücher zu lesen. Ich habe bereits häufiger darüber geschrieben, und nun ist es wieder an der Zeit, meinen Mostrich beizutragen. (Die angegebenen Preise bei englischen Büchern stimmten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung; für spätere Preisänderungen gebe ich keine Garantien.)
What if? – Was wäre wenn?
Randall Munroe ist sicher nicht wenigen Lesern als der Zeichner des Webcomics xkcd bekannt. Auf einer Nebenseite beantwortet er inzwischen aber auch ausführlich zumeist mathematische und physikalische Fragen seiner Leser, etwa „Wie viele Menschen müsste ein Tyrannosaurus Rex fressen, um seinen täglichen Kalorienbedarf zu decken?“ oder „Könnte man durch schnelles Umrühren seines Tees so viel Energie zuführen, dass der Tee nicht abkühlt, sondern heißer wird?“ Begleitet werden die launig geschriebenen Texte natürlich von Abbildungen seiner berühmten Strichmännchen. Mehr oder weniger überraschend lautet bei vielen Fragen die Antwort, dass wir alle sterben würden, was ja irgendwie auf existenzieller Ebene auch eine gewisse Dankbarkeit aufkommen lässt, dass uns das Universum das Leben nun schon so lange ermöglicht hat. Inzwischen lese ich Munroes Antworten auf die „Was wäre wenn?“-Fragen sogar deutlich lieber als den Hauptcomic.
Seit letztem Herbst gibt es nun auch eine Sammlung seiner „What if?“-Texte als Buch, sogar in deutscher Version. Die Übersetzung ist okay, ich würde aber allen, die gut Englisch können, die Originalversion ans Herz legen, zumal die auch als schickes Hardcover mit Schutzumschlag ins Haus kommt.
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Flucht aus Lager 14
Beim letzten Mal hatte ich schon „Im Land des Flüsterns“ vorgestellt, dies ist nun ein weiteres Buch über Nordkorea. Hier geht es um den Nordkoreaner Shin Dong-hyuk, der schon im Gefangenenlager zur Welt kam und eigentlich auch dort hätte sterben sollen. In Nordkorea glaubt man, dass bei einem schweren Vergehen (bzw. was die Führung als schwer ansieht) die Familie bis in die dritte Generation besudelt ist. Die Ehe seiner Eltern war eine Belohnung im Gefangenenlager; sein Vater durfte fünf Mal im Jahr seiner Frau beiwohnen, und er war das Resultat einer dieser Zusammenkünfte. Liebe gab es nicht, seine Mutter sah ihn als Nahrungskonkurrenten, sein Bruder war wie ein Fremder für ihn. Als seine Mutter und sein Bruder einen Fluchtversuch planten, verpetzte er (als Vierzehnjähriger) sie, wie er es gelernt hatte, wurde anschließend gefoltert und sah dann bei ihrer Hinrichtung zu. Damals dachte er, sie hätten es verdient. Für fast jedes Vergehen im Lager drohte die sofortige Erschießung. Er sah, wie eine Mitschülerin vom Lehrer totgeprügelt wurde, weil sie fünf Maiskörner in ihren Taschen hatte. Er sah, wie weibliche Mitgefangene von Wärtern sexuell missbraucht wurden. Wenn sie schwanger wurden, wurden auch sie erschossen. Sein Alltag wurde von Zwangsarbeit beim Bau, in der Fabrik und auf dem Feld bestimmt.
Interessant aber auch: Weil die Gefangenen sowieso nie freikommen sollten und als Menschen für die nordkoreanische Führung unwichtig waren, erfuhr Shin nie dieselbe Indoktrination wie die anderen Nordkoreaner. Er lernte nichts über den Koreakrieg und wusste nicht einmal, dass es Länder wie die USA, China oder Südkorea überhaupt gab. Lediglich von Mitgefangenen erfuhr er schließlich etwas über die Außenwelt. Gemeinsam mit einem „Freund“ (wenn man so etwas überhaupt haben konnte) beschloss er schließlich zu fliehen. Er schaffte es, sein Freund nicht. Das Buch erzählt die Geschichte seines Lebens, seiner Flucht und seiner Schwierigkeiten, sich in Südkorea an das normale Leben zu gewöhnen. Wer ein bisschen Interesse an Nordkorea hat, sollte in das Buch unbedingt mal reinschauen.
Deutsche Ausgabe bei Amazon für 10,99€
Herr Westerbeck und seine Belege – Ein Mann heftet ab
Das deutsche Steuersystem ist für die meisten Leute ein Gräuel, und das nicht zu Unrecht. Mit allerlei Durchführungsvorschriften, Sonderregeln und unverständlichen Gesetzestexten gleicht es einem Dschungel, durch den man sich mit viel Aufwand schlagen muss, um dann eventuell am Ende ein bisschen Geld wiederzukriegen. (Nicht in meinem Fall; ich muss immer draufzahlen. )
Jens Westerbeck versucht in seinem Buch, seinen Frust über die Absurditäten und vermeintlichen Ungerechtigkeiten loszuwerden, und das in amüsanter Weise. Auf dem Cover steht als Empfehlung „Sofort kaufen und abheften – Oliver Kalkofe“, insofern wird die Latte schon mal hoch gelegt. Umso enttäuschender, dass das ganze Geschreibsel mich ziemlich kalt lässt und die gewollte Lustigkeit eher zum Rohrkrepierer wird. Es ist einfach nur Gejammer auf hohem Niveau: Die Besteuerung der Zweitwohnung, die Steuerlast ab einem Einkommen von 60.000 Euro im Jahr, die grobe Ungerechtigkeit, dass überschuldete Leute dank Privatinsolvenz nach ein paar Jahren Wohlverhalten als schuldenfrei gelten – und dann auch noch der blöde GEZ-Beitrag, obwohl die 17,50 Euro im Monat bei den im Buch erwähnten Einkommen eh nur Krümel sind. Es ist nicht mal gut geschrieben. Und am Ende wollte ich dem Schnösel, der das verfasst hat, eher eine klatschen, als ihm zu seiner scharfsinnigen Beobachtungsgabe zu gratulieren. Eine simple Beschreibung davon, dass Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung eine Selbstanzeige gestellt hat, wird später mit „er hat im Buch schon sein Fett wegbekommen“ beschrieben, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in Herrn Westerbeck jede Menge Sympathie für private Steuerhinterzieher aller Art schlummert.
Ich bin als Unternehmer ja zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet, ich quäle mich auch alle paar Monate durch meine Steuererklärungen bzw. Voranmeldungen, ich fluche wegen bescheuerter Steuer- und Nachweisvorschriften, und ich stöhne, weil ich alle paar Monate vierstellige Summen ans Finanzamt überweisen darf, obwohl ich mit meinem Einkommen deutlich unter dem deutschen Durchschnitt liege. Und trotzdem finde ich mich in diesem Buch nicht wieder. Eindeutig ein Buch für die Altpapiertonne.
Hardcover-Ausgabe bei Amazon für 10,00€
The Brick Bible
Dafür, dass die Bibel für Milliarden Menschen eine heilige Schrift ist, ist den meisten Leuten gar nicht so bewusst, was da eigentlich drinsteht. Nun ist das „Buch der Bücher“ auch nicht unbedingt lesefreundlich geschrieben, zumal viele Ausgaben auch noch mit ziemlich kleiner Schrift gedruckt sind, um die Wälzer nicht zu unhandlich zu machen. Brendan Powell Smith hat sich im Laufe von zehn Jahren daran gemacht, mit einem unerschöpflichen Fundus an Lego-Teilen sowohl das Alte als auch das Neue Testament zu illustrieren. Natürlich wird nicht jede Einzelheit illustriert, aber die wesentlichen Bestandteile beider Bücher werden mit viel Detailfreude nachgebildet und neben den entsprechenden Bibelzitaten präsentiert. Und das gab in den USA durchaus Zoff: Viele Eltern, die die Bibel offenbar auch nicht gelesen haben, hatten offenbar bloß gesehen, dass da viele bunte Bildchen drin sind, und die Bücher ihren Kindern gegeben, ohne sie vorher selbst mal genauer anzugucken. Dummerweise ist gerade das alte Testament sehr blutrünstig und zeigt darüber hinaus eine etwas ungesunde Faszination, was Beschneidungen angeht. (Und gerade die Beschneidungsbilder sind herrlich. ) Die Stärke der Brick Bible ist, dass sie nicht interpretiert und relativiert, sondern tatsächlich das zeigt, was in der richtigen Bibel beschrieben wird. Das ist sicherlich für viele Gläubige aber auch eine Herausforderung, da (insbesondere im Alten Testament) der liebe Gott gar nicht so lieb ist und allerlei Charaktereigenschaften zeigt, die man im Normalfall als extrem schuftig ansehen würde.
Das Alte Testament gibt es auch schon in einer deutschen Version, wer aber keine Probleme mit Englisch hat, sollte sich das „Complete Set“ zulegen: Zwei Hardcover-Bücher im Schuber nebst Poster, und das für gerade mal 21 Euro – das ist ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis. Eine Sache ist allerdings schade: Aufgrund der etwas eigentümlichen Haltung vieler Muslime, was die Darstellung ihres Propheten angeht, wird es wohl nie einen Koran in Lego-Form geben; die Veröffentlichung würde sich vermutlich kein Verlag trauen.
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Eva, Kopi and Matcha
Noch ein Webcomic-Buch? Ja, noch ein Webcomic-Buch. Evangeline Neo ist Chinesin und kommt aus Singapur. Die Zeichnerin studierte zunächst Kunst in den USA, fing dann an, Webcomics zu veröffentlichen, und ging schließlich für einige Jahre nach Japan, um dort ihren Master of Business Administration zu machen. So lernte sie quasi drei mal mehr, mal weniger radikal unterschiedliche Kulturen kennen. Diese Unterschiede verarbeitet sie mit ihren Comics, in denen sie die Einstellungen und Gegebenheiten in den verschiedenen Ländern satirisch gegenüberstellt. Damit schaffte sie dann auch den Durchbruch, da sich einige ihrer Comics viral verbreiteten. Sie selbst ist meistens die Hauptfigur – und leidet darunter, dass die Leute sie immer für älter halten, als sie eigentlich ist. Ihre imaginären Haustiere Kopi und Matcha tauchen indes relativ selten auf.
Eva hatte lange versucht, in Japan ihre Comics veröffentlichen zu lassen (was angesichts der großen Comic-Kultur in dem Land ja nicht abwegig ist), erlebte aber viele frustrierende Ablehnungen. Dass sie unter anderem mit den Comics darüber schließlich die ersehnte Veröffentlichung (wenn auch mit einem nichtjapanischen Verlag) schafft, ist da wohl ein bisschen ausgleichende Gerechtigkeit. „Eva, Kopi and Matcha“ gibt’s derzeit nur auf Englisch. Mir persönlich gefällt das Buch, allerdings sollte man vorher die Chance wahrnehmen, sich ein paar von den Comics online durchzulesen, den Link habe ich weiter oben gepostet.
Englische Ausgabe bei Amazon für 15,74€
Fernsehen – Jetzt auch als Buch!
Philipp Walulis kennen sicherlich einige Leser von seiner empfehlenswerten Sendung „Walulis sieht fern“, in der er früher auf Tele5 und nun auf EinsPlus Fernsehsendungen kommentierte und durch Sezieren und Parodieren ihrer Funktionsweise die Zuschauer sowohl zum Lachen bringt als auch ihnen die Augen öffnet. „Fernsehen – Jetzt auch als Buch“ macht dasselbe, nur noch etwas launiger geschrieben. Es gibt 20 Kapitel, in denen jeweils ein TV-Genre (welches in Form deutscher Produktionen im Fernsehen vertreten ist) näher charakterisiert und nebenbei durch Infografiken und Cartoons demontiert wird. Das ist aufgrund der großen Informationsdichte und dem Fehlen bestimmter Parodiemöglichkeiten etwas ermüdender als bei einer „Walulis sieht fern“-Episode, aber wer sich das Buch nach und nach zu Gemüte führt, wird sich großartig amüsieren. Manche Anspielungen sind mit fortschreitender Zeit etwas optimistisch: Während der 9Live-Ratefuchs schon zu Redaktionsschluss wohl nur noch fleißigen Zuschauern von „Kalkofes Mattscheibe“ in Erinnerung geblieben ist, hat Conchita Wurst mit dem Sieg beim Eurovision Song Contest 2014 dafür gesorgt, dass es viel schwerer wird, die Erinnerung an diese Person aus dem Gedächtnis zu tilgen, während man sie vorher nur dann als Kuriosität aus RTLs Reality-Show „Wild Girls“ kannte, wenn man sich versehentlich beim Zappen auf die Sendung verirrte.
Was es beim Buch noch zu kritisieren gibt, hat nichts mit dem Inhalt zu tun. Vielmehr wirken einige der Design-Entscheidungen so, als würden sie aus dem Buch „Schülerzeitungslayout mit Microsoft Word 97“ stammen, und sehen entsprechend mittelgrässlich aus. Insgesamt kann man das Buch aber empfehlen.
Taschenbuch bei Amazon für 12,99€
Das war wieder eine Ausgabe von "Klopfers Bücherstunde". Eigentlich ist ja seit längerer Zeit auch mal wieder eine Ausgabe von der "Spielestunde" geplant, aber bei manchen Spielen weiß ich schlicht und einfach nicht, ob ich tatsächlich schon genug gesehen habe, um eine faire Einschätzung vorzunehmen, oder ob ich mich beim Spielen einfach nur so dusslig anstelle, dass mir die ganze Spieltiefe verschlossen bleibt. Nun ja, es wird kommen. Irgendwann.