Nuff! Ich grüße das Volk.
Ein neues Jahr steht uns bevor. Weltweit werden Hoffnungen in die nächsten 12 Monate gesetzt wie lange nicht, eine Sehnsucht nach dem Ende der ständigen Belastungen, die uns teilweise körperlich, zum großen Teil aber auch seelisch in diesem Jahr begleitet haben.
Ich habe eben den Jahresrückblick 2020 beendet. Und wenn ich (außer „Pandemie“) ein Wort finden müsste, welches dieses Jahr beschreibt, dann ist es wohl „Heuchelei“ oder „Doppelzüngigkeit“.
Leute machen sich lustig über andere, die Angst vor einer Pandemie haben, als wäre es total irrational, und ein halbes Jahr später empören sich dieselben Leute über die, die so reden wie sie selbst damals, ohne selbst zuzugeben, dass sie sich damals verschätzt haben.
Menschen beschweren sich über Rassismus, aber finden nichts dabei, Charakterfehler und Unvermögen zur Empathie allein aufgrund von Hautfarbe und Ethnie zu diagnostizieren.
Man empört sich über Demonstrationen von Leuten, mit deren Ansichten man nicht übereinstimmt, weil das ein Infektionsherd wäre (was an sich nicht falsch ist), aber schlägt diese Bedenken einfach in den Wind, sobald das Thema der Demonstration einem selbst am Herzen liegt.
Es gibt Sachen, die habe ich im Jahresrückblick gar nicht erwähnt. Auf Twitter empörten sich zum Beispiel Amerikaner, denen ich folge, darüber, dass Trump ein paar seiner Mitarbeiter am besten kurz nach der Zulassung des Impfstoffes impfen lassen wollte, und freuen sich zwei Tage darauf tierisch darüber, dass Joe Biden seine Impfung am Montag nach der Zulassung bekommt.
Viele in den (sozialen und unsozialen) Medien beklagen, dass Männer ihre Gefühle nicht frei äußern (oder sich nicht trauen), sind aber die gleichen, die die Männer wegen ihrer „Fragilität“ verspotten, wenn die sich ungerecht behandelt fühlen. Und auf der anderen Seite sehe ich viele Männer, die Frauen grundsätzlich vorwerfen, emotional und ohne Verstand zu handeln, aber auf tatsächlich rationale Argumente von Frauen nur mit persönlichen Beleidigungen, Anzüglichkeiten oder Widerwärtigkeiten reagieren.
Und nicht zu vergessen: Wir haben einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der sich selbst am liebsten als Verteidiger von Wahrheit, Rationalität und unserer Demokratie sieht, aber bockig wird, wenn eine demokratische Abstimmung in einem Parlament zur Folge hat, dass er mit acht Milliarden Euro im Jahr auskommen soll, was weltweit immer noch ein Spitzenwert ist.
Es ist immer dasselbe: Wenn du nicht zu meiner Sippe gehörst, ist alles schlecht, was du sagst, selbst wenn du mich zitierst.
Ich hasse dieses besonders extreme Stammesdenken, das derzeit wieder Oberhand gewinnt. Unsere Gesellschaft hat sich in Jahrhunderten dahin entwickelt, dass es wichtiger wurde, was jemand sagt, und die Frage, wer es sagt, unwichtiger. So konnten wir unseren Fortschritt sichern, aber auch unseren gesellschaftlichen Frieden.
Wir sind in den letzten Jahren und gerade auch im vergangenen Jahr wieder einen großen Schritt zurückgegangen. Wenn jemand dich einer Gruppe zugehörig wähnt, die er nicht mag, ist es egal, was du sagst, er wird nicht zuhören, und es wird Leute geben, die ihm dafür auf die Schulter klopfen und die soziale Anerkennung geben, die er dir nicht gönnt. Es ist traurig, es ist bescheuert, es ist sogar gefährlich für unseren sozialen Frieden, wenn wir alle nur noch als Feinde sehen.
Mein Wunsch für das nächste Jahr ist, dass wir das irgendwie hinter uns lassen. Ich bin müde. Ich mag diese konfrontative Krawallkultur nicht, die immer auf den schlimmsten Annahmen und Klischees fußt. Ich will nicht mehr von mehreren Seiten für Ansichten vollgelöffelt werden, die ich gar nicht habe, die mir aber unterstellt werden, weil irgendwer meint, dass ich sie haben müsste, weil andere, die bei komplett anderen Themen eine ähnliche Meinung wie ich vertreten, diese Ansichten schließlich auch hätten.
Ich wünsche euch, dass ihr solche Erfahrungen nicht machen müsst, dass ihr gesund bleibt und im nächsten Jahr die Chance kriegt, euer Leben auf die beste Art zu leben.
Einen guten Rutsch euch allen und ein frohes neues Jahr!
Wir sehen uns auf der anderen Seite. Und dann vielleicht auch etwas fröhlicher.
Euer Klopfer