Die koreanische Teilung
In der Landwirtschaft ist Nordkorea schon von Natur aus benachteiligt: Der Großteil des Landes ist zu bergig, um Landwirtschaft in großem Stil zu betreiben, zudem wechseln sich Trockenperioden mit heftigen Regenfällen zur Monsunzeit ab und erschweren die Kultivierung von Nutzpflanzen weiterhin. Bis in die 80er arbeitete man daran, durch Mechanisierung Erträge zu erhöhen; dank des Strommangels und des Wegfalls der billigen Erdöllieferungen aus der Sowjetunion konnten viele Landmaschinen aber nicht mehr betrieben werden. Andere sind wegen des Mangels an Ersatzteilen nicht mehr einsatzfähig. Selbst in sehr guten Jahren ist Nordkorea auf Lebensmittelimporte angewiesen. Als „Weg des Leidens“ gilt in Nordkorea die Zeit von 1994 bis 1998, als eine große, lang andauernde Hungersnot mindestens 200.000, vermutlich aber sogar über eine halbe Million Todesopfer forderte. Seitdem wird der Anbau von Kartoffeln und Mais forciert, um die Versorgung der Bevölkerung mit diesen (im Vergleich zum traditionell bevorzugten Reis) genügsameren Nutzpflanzen zu verbessern. Auch der Anbau von Apfelbäumen wurde deutlich verstärkt. Dennoch ist außerhalb der Parteielite der Hunger weiterhin oft ein ständiger Begleiter der Nordkoreaner. Über 40 Prozent der Bevölkerung sind unterernährt. (Ein etwas garstiger Witz in Südkorea und den USA ist, dass eine weitere Invasion der nordkoreanischen Armee am ersten Burger King hinter der Grenze enden würde.)
Nordkorea startete seit den 1990ern drei Versuche, seine wirtschaftliche Lage durch Kooperation mit dem Ausland zu verbessern. Im Nordosten des Landes richtete man in der Stadt Rasŏn eine Sonderwirtschaftszone ein, in der chinesische, russische und mongolische Unternehmen von den günstigen Löhnen in dem Land profitieren können. Eine ähnliche Zone war auch an der Grenze zu China geplant, liegt aber gerade auf Eis. Für Touristen aus Südkorea wurde im Süden des Landes eine Touristenregion um den Berg Kŭmgangsan errichtet. Seit aber 2008 eine südkoreanische Urlauberin in dem Gebiet von nordkoreanischen Soldaten erschossen wurde, sind die Reisen aus dem Nachbarland ausgesetzt. Ähnlich schlecht sieht es mit der Industrieregion Kaesŏng aus, die an der Grenze zu Südkorea eingerichtet wurde, um südkoreanischen Unternehmen die Fertigung im billigen Norden zu ermöglichen. Aufgrund politischer Spannungen wurde der Industriepark mehrfach geschlossen und das südkoreanische Personal aus dem Land geworfen – zuletzt 2016. Obwohl man zwei Jahre später über eine Wiedereröffnung verhandelte, scheint die wieder vom Tisch zu sein. 2020 sprengte Nordkorea das Gebäude, in dem sich das Verbindungsbüro zwischen Nord- und Südkorea in dieser Region befand.
Damit das Volk nicht gegen das Regime der Kims (seit 2011 in dritter Generation an der Macht) rebelliert, muss Nordkorea seinen Bürgern ständig eine Bedrohung durch einen grausamen Feind von außen vermitteln, um zu sagen: „Nur durch die Führung der Partei der Arbeit Koreas wird verhindert, dass der Feind uns überfällt und unterjocht.“ Da die Vereinigung Koreas immer noch oben auf der Agenda des Staates steht, ist dieser Feind nicht Südkorea: Die Südkoreaner gelten eher als fehlgeleitete Brüder und Schwestern, die man bald wieder auf den rechten Pfad führen möchte. Stattdessen sind die Vereinigten Staaten von Amerika der Erzfeind. Man konnte ihnen bekanntermaßen schon vor der japanischen Annexion nicht trauen, diverse Kriegsverbrechen und die heftige Bombardierung des Landes im Koreakrieg machen den Eindruck des ultimativen Bösewichts perfekt. Zudem sind die USA mit Japan verbündet, den alten Unterdrückern. Dass die nordkoreanische Marine im Jahr 1968 die USS Pueblo, ein Spionageschiff der US Navy, kaperte, das in oder in der Nähe von nordkoreanischen Gewässern operierte, bestätigte das Misstrauen gegen die Weltmacht Nummer Eins. So wird in der nordkoreanischen Propaganda noch heute der Eindruck vermittelt, die USA würden pausenlos an der Grenze darauf lauern, Nordkorea zu überfallen und die Bevölkerung abzuschlachten. Dass Nordkorea für die USA heutzutage eher wie ein lästiger Pickel am Arsch ist und man sich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten meistens (wenn nicht gerade Wahlkampf ist) wünscht, dass Kim Jong-un keinen Ärger macht, damit man keine Gedanken an ihn und seinen Staat verschwenden muss, weiß der normale Nordkoreaner nicht.
In Wirklichkeit ist der größere Garant für den Bestand Nordkoreas und seines Regimes die Volksrepublik China, die erstens keine direkte Grenze zu einem Land haben will, in dem amerikanische Truppen stationiert sind, und sich zweitens Sorgen um Flüchtlingsströme aus Nordkorea macht, um die man sich dann direkt kümmern müsste. (Wenn jetzt Leute aus Nordkorea nach China flüchten, werden sie von China einfach zurückgeschickt. Selbst die Botschaften anderer Länder inklusive Südkorea dürfen in China keine nordkoreanischen Flüchtlinge aufnehmen, ohne diplomatischen Krach mit China zu riskieren.)
Seitdem China große Geschäfte mit dem Rest der Welt macht und ihm zeigt, wie Kapitalismus geht, reagiert man im Reich der Mitte aber auch zunehmend genervt, wenn Kim wieder Krawall macht, weil das schlecht fürs Geldverdienen ist. Insofern ist es wohl auch verständlich, dass Nordkorea mit der Entwicklung von Atomwaffen eine eigene Abschreckung aufbaut. Außerdem ist dies eine Möglichkeit für Nordkorea, das anzuwenden, was ich als Kleinkind-Taktik bezeichnen möchte: Man sorgt für Aufregung, um Aufmerksamkeit zu kriegen, und lässt sich dann bestechen, damit man damit aufhört. Aus diesem Grund ist der Erzfeind USA ein großer Lebensmittellieferant für Nordkorea, da Hilfsgüter immer als Gegenleistung in das Land fließen, wenn Kim mal wieder verspricht, Raketentests auszusetzen oder politische Gefangene freizulassen.
Der Gründer des Landes, Kim Il-sung, hat sich mit seinem Tod 1994 aus der aktiven Politik Nordkoreas zurückgezogen, gilt aber nun per Verfassung als „Ewiger Präsident“ und wird weiterhin als „großer Führer“ verehrt. Sein Sohn Kim Jong-il, der „geliebte Führer“, wurde nach seinem Tod zum „Ewigen Generalsekretär“ und „Ewigen Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungskomitees“ ernannt. Was dessen Kim Jong-Un, der „große Nachfolger“, für einen ewigen Posten kriegt, sobald seine wachsenden Fettreserven sein Herz erdrückt haben, wird sich zeigen.
Südkorea nach dem Krieg
Im Süden Koreas gab es nach dem Koreakrieg zunächst keine wirtschaftliche Erholung wie im Norden. Syngman Rhee, der Präsident Südkoreas, wurde noch während des Krieges wiedergewählt (indem er die Wahlregeln ändern und oppositionelle Politiker verhaften ließ), baute als Autokrat seine Macht aus, unterdrückte politische Gegner und ließ weiterhin Kommunisten und vermeintliche Sympathisanten der Nordkoreaner verfolgen, mit dem Einverständnis der Amerikaner, die unbedingt verhindern wollten, dass Südkorea die Seiten wechselt. Die Unterstützung der USA hielt das Land am Leben, aber jeglicher Impuls zum Wachstum wurde durch heftige Korruption und Misswirtschaft vernichtet.
Die südkoreanische Verfassung von 1948 hatte die Amtszeiten von Präsidenten auf zwei aufeinanderfolgende Legislaturperioden begrenzt, aber Rhee ließ das kurz nach seiner Wiederwahl 1952 ändern. Bei der nächsten Wahl im Jahr 1956 starb ein Konkurrent kurz vorher an einem Herzinfarkt, ein zweiter Gegenkandidat konnte nur 30 Prozent der Stimmen erlangen und wurde drei Jahre später wegen angeblicher Gefährdung der nationalen Sicherheit exekutiert. Auch die Wahl im März 1960 gewann Rhee ohne Gegenkandidat, weil der einen Monat zuvor starb. Die Vizepräsidentenwahl allerdings musste heftig manipuliert werden, um Rhees Wunschkandidat zum Sieg zu verhelfen. Wahlbetrug, Korruption und der Mord an einem gegen den Betrug protestierenden Studenten durch die Polizei führten schließlich zur Aprilrevolution. Dabei wurden über 180 Demonstranten durch Polizisten und Soldaten getötet, was nur noch mehr Bürger auf die Straße trieb. Am 26. April trat Rhee zurück und wurde von der CIA nach Hawaii ausgeflogen, wo er bis zu seinem Tod 1965 lebte. Die Erste Republik war Geschichte.