Die koreanische Teilung
Das vorläufige Ende Koreas
Japan hatte seinen Anspruch auf die südliche Mandschurei noch nicht aufgegeben und begann im Jahre 1904 durch den Angriff auf Port Arthur den Russisch-Japanischen Krieg. Parallel zwangen die Japaner dem Kaiserreich Korea eine Reihe von unfairen Abkommen auf, in denen ein Mitspracherecht Japans an der Innen- und Außenpolitik des koreanischen Reiches eingeräumt wurde. Den Krieg mit Russland gewann Japan. Der Frieden zwischen den beiden Staaten wurde 1905 auf Vermittlung der USA in Portsmouth geschlossen. Diesmal übernahm Japan den russischen Pachtvertrag mit China über die Halbinsel Liaodong mitsamt Port Arthur und erweiterte so unmittelbar sein Einflussgebiet.
In den Gesprächen mit den USA ließen sich die Japaner vom amerikanischen Kriegsminister Taft bestätigen, dass die Vereinigten Staaten sich nicht in die japanischen Anstrengungen in Korea einmischen würden. Im Gegenzug bekräftigte Japan, nicht an den erst kürzlich von den USA erworbenen Philippinen interessiert zu sein. Mit dieser Rückendeckung zwangen die Japaner die koreanischen Regierungsmitglieder unter Androhung körperlicher Gewalt, einen vorbereiteten Vertrag zu unterschreiben, der Korea offiziell zum Protektorat Japans erklärte und dem japanischen Reich die komplette Kontrolle über die Außenpolitik und den Handel übertrug. Zwei Jahre später wurde in einem weiteren Vertrag festgelegt, dass hohe Ministerposten mit Japanern zu besetzen seien, wodurch die faktische Regierungsgewalt vollständig an Japan delegiert wurde.
Die Koreaner versuchten, unter anderem mit persönlichen Briefen des Kaisers Gwangmu an die Staatsoberhäupter der westlichen Länder diplomatische Unterstützung gegen diese Machtübernahme zu finden, aber wurden eiskalt ignoriert. Da man sich in Korea gut daran erinnerte, dass die USA im Vertrag von 1882 genau für derartige Fälle noch ihre Unterstützung zugesagt hatten, riss dieser Verrat einen tiefen Graben in die Beziehungen zu den Amerikanern.
Im August 1910 erzwangen die Japaner nach der Ermordung eines japanischen Politikers durch einen koreanischen Unabhängigkeitskämpfer schließlich die vollständige Annexion Koreas. Das koreanische Kaiserreich hatte aufgehört zu existieren.
Korea unter japanischer Herrschaft
Die neuen Machthaber begannen einen Prozess der Japanisierung, unterstützt von der weiteren Industrialisierung der immer noch weitgehend von Landwirtschaft geprägten Halbinsel. Die Produktivität der Provinz Chōsen, so der Name der Kolonie unter japanischer Herrschaft, stieg in den Folgejahren drastisch an, kam aber fast nur den Japanern zugute. Die Versorgung der heimischen Landbevölkerung verschlechterte sich hingegen. Die Presse wurde stark eingeschränkt, Koreaner waren in der Verwaltung und der Politik fast nicht mehr vertreten. Das Japanische wurde ab 1915 (mit kurzer Unterbrechung) zur alleinigen Unterrichtssprache.
Jedoch brach die japanische Besatzung auch die verkrustete Gesellschaftsstruktur auf. Das koreanische Kastensystem verlor an Bedeutung, zudem erlangten Frauen mehr Eigenständigkeit und das Recht, eigenes Einkommen zu erwirtschaften. Für koreanische Frauen bedeuteten die Reformen also zunächst eine höhere soziale Mobilität.
Dennoch bemühten sich die Japaner, die Koreaner nicht allzu sehr zu integrieren. Kurz nach der Annexion verbot man den Koreanern noch, japanische Namen anzunehmen. Zudem wurden Koreaner nicht zum Wehrdienst herangezogen, da man ihnen nicht über den Weg traute. Auch wurden ihnen nicht alle Rechte normaler japanischer Bürger gewährt, insbesondere die Versammlungsfreiheit war stark eingeschränkt.
Das Misstrauen war durchaus berechtigt: Natürlich lehnten die meisten Koreaner die japanische Besatzung ab. Eine ganze Partisanenarmee war bis 1915 aktiv, auch danach kam es regelmäßig zu Angriffen auf japanische Polizeiwachen und Einrichtungen durch koreanische Nationalisten. In den Zwanzigern sorgte ein neuer japanischer Generalgouverneur dennoch für Erleichterungen. Koreanische Zeitschriften wurden wieder zugelassen, kurzzeitig auch wieder Koreanisch als Sprache an den Schulen. Statt der japanischen Militärpolizei sorgte eine zivile Polizei nun für Ordnung.
Mit der Annexion Koreas und der Eroberung von Liaodong waren die Japaner noch nicht zufrieden. In den 30er Jahren verleibte man sich weitere Gebiete in China ein. Das Reich der Mitte, das 1912 seinen Kaiser im zarten Alter von sechs Jahren abgesetzt hatte, konnte sich nicht gegen die japanischen Aggressionen wehren, da der chinesische Bürgerkrieg zwischen dem rechten Flügel der Kuomintang und den Kommunisten tobte und ein gemeinsames Vorgehen gegen die Invasoren politisch zunächst nicht möglich schien. 1932 gründete Japan aus den besetzten chinesischen Gebieten auf dem Festland den Marionettenstaat Mandschukuo, als formeller Herrscher wurde der 1912 abgedankte Kaiser Chinas eingesetzt.
1937 einigten sich die Kuomintang und die Kommunisten unter Mao Zedong auf die Bildung einer Einheitsfront gegen die Japaner (faktisch nur ein Stillhalteabkommen zwischen den Konfliktparteien des Bürgerkriegs), wenige Monate später begann der zweite Chinesisch-Japanische Krieg, was von vielen Historikern mittlerweile als eigentlicher Beginn des Zweiten Weltkriegs gesehen wird. Dieser Krieg sollte sich auch auf die Behandlung der Koreaner auswirken.
Ab 1938 wurden die Erleichterungen der 20er Jahre wieder zurückgenommen, zudem kam es zu einer Verschärfung der japanischen Kolonialpolitik. Der Gebrauch der koreanischen Sprache wurde nun auch im Privaten verboten, viele koreanische Bücher und Schriften wurden vernichtet, Kulturgegenstände nach Japan verbracht, das Tragen der traditionellen koreanischen Tracht untersagt. Stattdessen wurden die Koreaner gezwungen, in Shinto-Schreinen für den japanischen Sieg zu beten. Nun wurden die Koreaner auch dazu angehalten, japanische Namen anzunehmen. Zunächst taten das nicht viele, hatten aber schließlich keine Wahl, nachdem Koreaner mit traditionellen Namen keine Lebensmittelkarten mehr bekamen. Das Ziel war klar: Die Koreaner sollten die koreanische Identität verlieren und zu Japanern werden.
Die Unterdrückung der koreanischen Kultur war nicht das Schlimmste: Millionen Koreaner wurden zur Zwangsarbeit herangezogen oder mussten ab 1944 als Soldaten für die japanische Armee kämpfen. Viele koreanische Frauen wurden (wie auch Frauen aus anderen japanisch besetzten Gebieten) dazu gezwungen, sich als sogenannte „Trostfrauen“ in Soldatenbordellen zu prostituieren. Koreaner gehörten auch zu den Menschen, an denen die berüchtigte Einheit 731 medizinische Experimente mit biologischen Kampfstoffen vornahm – 254 Koreaner überlebten diese Versuche nicht.