Couponing Extrem
Die Produkte selbst sind vollkommen egal. Auch deswegen hebt man in der Sendung gerne mal gleich nach dem Betreten des Supermarkts 20 Packungen Eistorte aus der Kühltruhe in den Wagen, obwohl man noch sechs Stunden durch den Supermarkt laufen muss, um den Rest des Einkaufszettels abzuarbeiten. Für halbwegs ausgewogene Ernährung bleibt beim Einkaufen übrigens auch kein Raum, denn für Obst und Gemüse gibt es keine Coupons.
An der Kasse merkt man dann besonders, wie groß die kulturellen Unterschiede zwischen den USA und Deutschland sind. Wenn hier jemand mit einem vollgepackten Einkaufswagen an die Kasse kommt und dann beim Bezahlen auch noch lange braucht, sollte er trotz der weltbekannten Friedfertigkeit der Deutschen demütig und schamrot sein, wenn er nicht vom übellaunigen Hintermann totgeschlagen oder einfach über den Haufen gefahren werden möchte. In den USA freuen sich die Menschen anscheinend, wenn da jemand mit fünf überladenen Einkaufswagen ankommt und dann, wenn die Kassenfachkraft alles eingescannt hat und mit dem aufgesetzten Lächeln fragt: „Haben Sie Coupons, die Sie einlösen möchten?“, auch noch kaltschnäuzig Tausende Papierschnipsel auspackt.
In der Sendung wird, bevor diese verhängnisvolle Frage kommt, natürlich der steigende Dollarbetrag im Kassendisplay zelebriert, um im Zuschauer dieselbe Nervosität zu induzieren, die offenbar auch bei den Protagonisten Einzug hält. Denn kaum jemand von denen hätte tatsächlich genug Bargeld, um mal eben 700 oder 1000 Dollar zu zahlen, falls die ganze Sache mit den Gutscheinen in die Hose geht.
Doch dann schiebt die Kassiererin stoisch lächelnd einen Gutschein nach dem anderen über den Scanner, der Betrag sinkt stetig, und dann … kackt die Kasse ab. Das passiert wirklich sehr oft, weil die schiere Zahl an Artikeln bei einem einzigen Einkauf von den Programmierern der Kassensoftware nie eingeplant wurde. Dennoch wird es jedes Mal so dargestellt, als würde es nun darum gehen, einen Super-GAU im nächsten Kernkraftwerk zu verhindern. Und immer entscheidet sich der Marktleiter für einen radikalen Schritt: Es wird eine zweite Kasse geöffnet, an der irgendein armer Mindestlohnsklave die ganzen verbleibenden Coupons per Hand eintippen muss, damit diese Summe dann vom Gesamtbetrag der ersten Kasse abgezogen werden kann. Puh, Kernschmelze abgewendet!
Nach einer halben Stunde (und das ist keine flapsige Übertreibung von mir, sondern eine Zeitangabe aus einer Episode) ist das dann erledigt, und es darf gratuliert werden: Der Endbetrag liegt meist deutlich unter 100 Dollar, oft auch nur noch bei 10 oder 20 Dollar, gelegentlich sogar im Centbereich. Verblüfft applaudieren andere Kunden und das Personal, die Couponjäger und ihre Familienmitglieder liegen sich in den Armen und feiern den schönsten Tag ihres Lebens, und schließlich bleibt nur noch, das Auto vollzupacken und davon zu schwärmen, wie triumphal – und emotional – die ganze Sache ablief. Nur wer die geschmolzenen Eistorten dann fressen muss, das wird nie gesagt.