Was ist an Wokeness so schlimm?
5. Es ist teuer
Eigentlich sollte es nach dem Lesen der vorherigen Punkte schon klar sein, aber trotzdem sollte es deutlich gesagt werden: Die ganze Identitätspolitik ist teuer. Und das gilt auch, wenn man nicht die Kosten, die aus Punkt 4 folgen, einberechnet.
Das fängt natürlich mit denen an, die allein wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit Jobs und Posten kriegen, deren Aufgaben sie gar nicht erfüllen können, und somit selbst jede Menge Geld kosten. (Ich könnte hier stellvertretend einen gewissen Namen aus der Berliner Politik nennen, aber besagte Dame zeigt jedes kritische Wort sofort an.)
Dann gibt’s aber auch viele Leute, deren Jobs extra geschaffen wurden, um identitätspolitische Maßnahmen durchzusetzen. Salaryexpert.com gibt als Durchschnittsgehalt für einen Diversity and Inclusion Officer in Berlin 110.000 Euro im Jahr an. Das Einstiegsgehalt wird mit 75.000 Euro angegeben. In den USA gibt die Universität von Virginia jährlich 20 Millionen US-Dollar für DEI (Diversity, Equity, Inclusion) aus, wobei der Global Chief Diversity Officer im Jahr über 450.000 Dollar nach Hause bringt. Das ist fast das Sechsfache des Median-Einkommens in Virginia. Die Polizei von Philadelphia feuerte Anfang des Jahres ihren DEI Officer. Die Frau hatte ein Grundgehalt von 170.000 US-Dollar im Jahr. Viele größere Konzerne haben natürlich ebenfalls eigene Abteilungen für DEI, die viel Geld kosten, aber nichts dazu beitragen, den Geschäftsbetrieb reibungslos am Laufen zu halten.
Konzerne und öffentliche Einrichtungen sind es auch, die jede Menge Geld an Honoraren für Reden und Kurse von selbsternannten Experten ausgeben. Robin DiAngelo zum Beispiel, die allein aufgrund ihrer persönlichen Familiengeschichte in einem Buch behauptete, ausnahmslos alle Weißen wären Rassisten, und nur deswegen jetzt als Rassismus-Expertin gilt, verdient pro Rede zwischen 12.000 und 15.000 US-Dollar (10.000 Dollar sind ihr zu wenig) und scheffelt damit und mit Workshops im Jahr über 700.000 US-Dollar. Und Angestellte werden dann dazu gezwungen, sich das anzuhören. Natürlich liegt der Nutzen solcher Veranstaltungen für den behaupteten Zweck bei null.
Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man das Diskriminierungs-Paradox kennt: Auch wenn betroffene Leute erheblich unter Diskriminierung leiden, wird die Diskriminierung nur von wenigen Menschen betrieben. Wenn alle anderen gar nicht diskriminieren, was will man dann mit irgendwelchen Trainings und Workshops erreichen? Interessant dabei ist, dass zum Beispiel indirekte negative Einstellungen gegenüber Schwarzen wenig mit Diskriminierungshandlungen korrelieren, rassistische Vorurteile dagegen schon eher. (Allerdings war in der verlinkten Studie die gemessene Diskriminierung auch eher gering.)
Im Videospielbereich gibt es Unternehmen wie Sweet Baby Inc, die (teilweise mit erpresserischen Methoden) als Inklusionsberater dafür sorgen, dass Spiele auf Wokeness-Linie gebracht werden, auch wenn die Spieler solche Spiele gar nicht wollen und das zum Beispiel dazu führt, dass man jede Menge Japaner gegen sich aufbringt, weil man einen Schwarzen geschichtsfälschend zum Samurai macht, der sich durch das feudale Japan metzelt. Aber weil es um die Kosten gehen soll: Der chinesische Entwickler Game Science in einem Post auf einer chinesischen Social-Media-Plattform angegeben, dass eine dieser Wokeness-Beratungsfirmen sich als Political-Correctness-Führer für das Spiel „Black Myth: Wukong“ aufdrängen wollte und dafür eine Beratungsgebühr von 7 Millionen Dollar verlangt hätte. Wenn das stimmen sollte, muss man sich mal vorstellen, was diese Unternehmen damit einnehmen, für Sony, Microsoft, Ubisoft usw. Spiele zu verschlimmbessern. (Ich hatte im vorherigen Satz zuerst „verdienen“ geschrieben, aber dann fiel mir ein, dass sie Schläge verdienen und sonst nichts.)
Das passiert natürlich nicht unbedingt, weil die Chefetagen dieser Einrichtungen so alle auf dem Wokeness-Trip wären (auch wenn das sicher gelegentlich zutrifft). Für sie ist es eine Abwägung: Wenn irgendein Vertreter einer Minderheit der Meinung ist, es gäbe in einem Unternehmen oder einer Behörde strukturelle Diskriminierung gegen seinesgleichen, und beschließt zu klagen, können die Einrichtungen stolz auf das Feigenblatt ihrer Bemühungen zeigen: Seht, wir haben doch Chief Diversity Officers, Zwangsworkshops gegen Rassismus und eigene Berater für DEI! Zudem sind so einige Investmentfirmen wie Blackrock (aus mir unerfindlichen Gründen) auch sehr interessiert an diesem Diversitätskram und verweigern Investments für Unternehmen, die bei diesem Mumpitz nicht mitmachen.
Eine Ursache dafür scheint eine Veröffentlichung des Beratungsunternehmens McKinsey aus dem Jahr 2015 zu sein, laut der Diversität für höhere Unternehmensergebnisse sorgen würde. Mittlerweile ist aber klar, dass an diesen Behauptungen nichts dran ist: Diversität hat keinen positiven Einfluss auf Umsatz oder Gewinn. Und wenn man sich anschaut, wie sehr Medien floppen, die zu plump, penetrant und pöbelnd auf der Wokeness- und Diversitätsschiene fahren und damit ihr Zielpublikum vor den Kopf stoßen und vergraulen, wird auch schnell klar, wie viel Geld damit verbrannt wird.
Einen Silberstreif gibt es immerhin in einigen Unternehmen: Wenn die Geschäftszahlen nicht mehr so gut aussehen, gehören die DEI-Teams zu den ersten, die gefeuert werden.
6. Es hat kein Ende
Woke Aktivisten hüten sich wohlweislich, genau zu definieren, an welchem Punkt sie ihre Ziele erreicht sehen würden. Denn wenn man sein Selbstbild, seinen Lebenszweck und auch seine Macht nur darauf stützt, angeblich Unterdrückten zu helfen und dabei vielen anderen vorschreiben zu dürfen, was sie zu tun, zu lassen und zu tolerieren haben, dann wird man darauf nicht einfach verzichten können und wollen, nur weil die Welt irgendwie so ist, wie man sich vorher das Paradies ausmalte.
Ein Beispiel: Mädchen haben bessere Schulabschlüsse und brechen seltener die Schule ab, Frauen stellen die Mehrheit der Universitätsabsolventen, junge Frauen verdienen heute oft mehr als ihre männlichen Altersgenossen, und auch wenn Mütter schlechtere Berufschancen haben als kinderlose Frauen, werden sie doch noch eher zu Bewerbungsgesprächen eingeladen als Männer. Und trotz all dieser Entwicklungen kriegt man in den Medien den Eindruck, als wäre die moderne westliche Gesellschaft die reine Hölle für Frauen, und man müsste doch noch viel mehr für die Gleichstellung unternehmen – und zwar gegen weiße Männer. Und wer eine traditionelle Familie mit Mama, Papa und Kindern will, steht unter Generalverdacht, der Unterdrückung der Frau Vorschub zu leisten, ebenso wie jemand, der einfach nur klassisch hübsche Frauen mag.
In Sachen Rassismus ist es noch absurder geworden. Hatte man früher dagegen gekämpft, dass Leute anderer Hautfarbe oder Herkunft nicht einfach ermordet, verprügelt und diskriminiert werden, so wird es (ausgehend von den USA) nun als rassistisch angesehen, darauf zu bestehen, dass es keine Rassen (bzw. nur eine menschliche Rasse) gäbe. Wie oben bereits erwähnt, sehen einige Einrichtungen in den Vereinigten Staaten es als rassistisch an, von Schwarzen Pünktlichkeit zu erwarten. Das ist nun vermutlich nichts, was Martin Luther King vorschwebte, als er den Leuten von seinem Traum erzählte.
Es ist aber auch gar nicht verwunderlich, dass die Forderungen immer extremer und bizarrer werden. Wer Probleme dort sieht, wo keine sind, und für vorhandene Probleme vollkommen falsche Ursachen herbeifantasiert, der wird natürlich mit seinen Maßnahmen nicht die Verbesserungen sehen, die er anstrebt. Und weil Realitätssinn und gesunder Menschenverstand bei Anhängern der Identitätspolitik tendenziell eher Mangelware sind, sucht man sich eben die nächste Idee, die dem eigenen Weltbild nicht widerspricht, und die ist natürlich noch etwas weltfremder als die vorherige, denn sonst wäre man ja früher darauf gekommen.
Man kann sich also nicht darauf einlassen, den woken Aktivisten auch nur einen Fußbreit entgegenzukommen, denn das wird sie eher in der Ansicht bestätigen, ein Anrecht auf die Umsetzung ihrer Forderungen zu haben, und wenn man ihnen den kleinen Finger gibt, wollen sie nicht nur die ganze Hand, sondern den Körper, die Körper der Angehörigen, den Boden darunter und die Atmosphäre darüber. Es ist nie genug.
Der woke Aktivismus war immer ein Phänomen der abgehobenen Elite. Normale Menschen haben das reale Leben, um das sie sich kümmern müssen. Leider heißt das, dass sich die Identitätspolitik in der elitären Sphäre festgesetzt hat, in Universitäten, Regierungen, Unternehmensleitungen. Immerhin scheint manchen aus dieser Umgebung, die keine Überzeugungstäter sind, zu schwanen, dass das Mitlaufen in dieser Bewegung ein Arbeiten gegen die Befindlichkeiten und Bedürfnisse der ganz normalen Bevölkerung ist, weswegen es jetzt erste Ausreißer gibt, die mit aller Kraft versuchen, diese Ideologie wieder zurückzudrängen.
Leute, die in der Wokeness den Kern des Fortschritts sehen, machen sich oft über die Bedenken lustig. In dem Bemühen, den Gegenwind aufzulösen, vermischt man bunt woke und linke Positionen, als müsste man Wokeness unterstützen, wenn man traditionelle linke Ansichten vertritt. Dabei stehen sich diese Positionen bei näherer Gelegenheit oft unvereinbar gegenüber. Ich muss mir ein Augenrollen verkneifen, wenn zum Beispiel Reddit-Mitglieder Szenen aus der ersten "Raumschiff Enterprise"-Serie posten, die Rassismus verurteilten, und süffisant bemerken, dass "Raumschiff Enterprise" ja schon in den 60ern "woke" gewesen wäre. Nein. Star Trek war nicht woke. Star Trek ist nicht dafür eingetreten, dass Personen allein nach ihrer Abstammung beurteilt werden anstatt nach ihren Taten. In Star Trek machte man sich nicht dafür stark, Menschen zu erniedrigen, weil man vergangenes Unrecht mit neuem Unrecht ausgleichen wollte. In Star Trek ermutigte man Leute, das zu akzeptieren, was sie sind, anstatt in Fantasien zu leben und von anderen zu erwarten, diese Fantasien zu noch bestärken. Und in Star Trek kam man erst recht nie auf die Idee, zugunsten einer Religion die Rechte anderer zu beschneiden.
Die Identitätspolitik treibt die Zerstörung der größten zivilisatorischen Errungenschaften in Europa voran. Die Religionsfreiheit ist in Gefahr, weil einerseits der Islam aus Rücksicht auf die vermeintlich schwache Position seiner Anhänger Narrenfreiheit bekommt, aber zum Beispiel Anfeindungen gegen Juden offen toleriert werden. Es wird eine tiefe Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben, eine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Religion und sonstiger Weltanschauung wird zur Tugend gemacht. Die Qualität der Bildung leidet, weil Objektivität hinter Ideologie zurückstecken muss, was sich auch schlecht auf unsere medizinische und technologische Entwicklung auswirkt. Die Bekämpfung von Gewalt- und Eigentumskriminalität gerät ins Hintertreffen, wogegen der Kampf gegen unerwünschte Meinungsäußerungen (oder auch Erwähnungen von unbequemen Fakten) immer vehementer verfolgt wird, was Leute in eine innere Emigration oder in die Arme von extremistischen Parteien treibt, die sie nicht für ihre Ansichten verurteilen. So erodiert gerade die Wokeness den Rückhalt für eine demokratische Ordnung, die somit immer weniger wehrhaft gegen Bedrohungen von innen und außen wird. Die Identitätspolitik ist für eine freie, tolerante und progressive Gesellschaft, in der jeder selbstbestimmt und würdevoll leben können soll, eine ähnliche Gefahr wie eine faschistische oder kommunistische Diktatur. Und so sollten wir sie auch behandeln.