Klopfers Web » Texte » Kolumnen » Kundenfreundlichkeit

Kundenfreundlichkeit

Nicht selten bekomme ich die Anregungen für meine Kolumnen aus dem Fernsehen - das ist wohl keine Überraschung, schließlich sieht man den Texten das auch an allen Ecken und Enden an. So ist es auch bei diesem Text hier, den ich aber vorrangig mit Erlebnissen aus meinem eigenen Erfahrungsschatz andicken kann.
Es ist gerade 23 Uhr, und nebenbei läuft auf RTL die Sendung "Die Autohändler". Obwohl mehrere Autohändler in dieser billigen Doku-Soap abgehandelt werden, so wird die Hauptrolle wohl von 2 schmierigen, stämmigen Typen in den 40ern gespielt, die einen Gebrauchtwagenhandel betreiben. Eine Szene der heutigen Ausgabe: Ein potenzieller Kunde schreitet auf das Gelände, Schmiertyp 1 guckt aus dem Fenster und drückt ein "Der sieht ja aus, als hätte er nen Stock verschluckt" aus der Kauleiste. Kurze Zeit später beim Verkaufsgespräch. Der Kunde: "Ich such was kleines..." Einer der Schmiertypen: "Wieso, hast doch was Kleines in der Hose, hahaha!" Er ist ganz begeistert von seinem Witz. Ehrlich gesagt: Hätte er den Spruch bei mir gebracht, wär ihm ein Viertelpfund Spucke ins Gesicht geflogen, einfach so als adäquate Antwort auf seine Impertinenz. (Außerdem hat er es schon für sein Verhalten gegenüber seinem Azubi verdient. So was hab ich gerne, eigenes Versagen anderen in die Schuhe schieben. *grmpf*)
Ich mag altmodisch sein, aber: Wenn jemand gerne von mir Geld möchte (ob nun für Ware oder Dienstleistung), dann erwarte ich auch, dass ich zuvorkommend, höflich und devot behandelt werde. Sicherlich hat sich in der letzten Zeit viel in Sachen Kundenfreundlichkeit getan: Ich wurde sogar auf der Post und beim Einwohnermeldeamt freundlich behandelt; wenn man so was früher erzählt hätte, hätte es keiner geglaubt.

Dennoch: Zu oft wird man immer noch behandelt wie der letzte Arsch. Ich möchte das mal exemplifizieren (man merkt, ich bemühe mich eines gehobenen Vokabulars, einmal weil ich weiß, dass meine Leser gebildet genug sind, es zu verstehen, zum anderen weil ich mich gern so ausdrücke). Kurz nach Weihnachten musste ich im MakroMarkt ein kleines technisches Gerät besorgen. Es gab einige Exemplare dieses Teils, aber es war nirgendwo am Regal ein Preis dafür angebracht. Also musste ich durch den halben Markt stromern, bis ich endlich einen Angestellten fand, der nicht sofort in Deckung springen konnte. "Kostet 19,99", lautete die Auskunft des sichtbar genervten Ladenschwengels. Ich möchte ihn an dieser Stelle um Verzeihung bitten, dass ich es gewagt habe, seine Arbeitszeit mit etwas auszufüllen, wofür er bezahlt wird.

Anderes Beispiel: Bevor die Uni Potsdam die Chipkarte als Studentenausweis einführte (die gleichzeitig auch als Semesterticket fungiert), musste man am Anfang jedes Semesters zu den Verkehrsbetrieben und sich sein Ticket holen. Ich ging also in das "Kundenzentrum" (an sich ja ein ermutigender Name) an einen freien Schalter. Meine Bitte um mein Studententicket wurde mit einem strengen Blick und den Worten: "Müssense nebenan an den Schalter jehn." bedacht. Ick jing also an den Schalter nebenan, wo bereits ein Student versorgt wurde. Und was sah ich, als ich meine Karte haben wollte? Die Kärtchen waren nicht nur in Griffweite des jungen Mannes, der mich nun bediente, nein, auch die Frau "nebenan an den Schalter" hätte spielend ihrer Arbeit nachgehen können, anstatt sich auf die Absorbierung von Sauerstoff zu konzentrieren, da besagte Karten gerade mal 30cm von ihrer linken Hand entfernt lagen. Wer kann denn in so einer Situation noch guten Gewissens für Gewaltverzicht eintreten?
Verkehrsbetriebe sind aber wirklich eine Klasse für sich, insbesondere die BVG in Berlin. Wie in anderen Städten auch stellt sie Arbeitslose als Kontrolleure ein. An sich hab ich nichts dagegen, Arbeitslose in Lohn und Brot zu setzen. Aber muss man unbedingt auch ungehobelte Halbaffen damit beauftragen, direkten Kontakt mit Fahrgästen zu haben? Ganz egal ob man eine Karte hat oder nicht, es gibt gewisse Grobiane, die sich nicht auf die herkömmliche, fordernde Frage nach einem Fahrschein beschränken, sondern einem dazu gleich noch auf die Pelle rücken, als wenn man körperliche Misshandlungen fürchten müsse, sollte man keine Beförderungsberechtigung erworben haben. Ich mag vielleicht verweichlicht sein, aber ich denke, dass Kontrolleure die Fahrgäste zuerst immer als Menschen sehen sollten, die indirekt den Kontrolleurslohn bezahlen und somit auch eine freundliche Behandlung verdienen. (Es gibt auch uniformierte Kontrolleure bei der BVG. Die riegeln gern mal professionell einen U-Bahnhof ab und kontrollieren dann jeden, der aussteigt. Einer dieser Knaben hat es nicht mal für nötig befunden, mich anzuschauen.)
Noch ein kleiner Hinweis an die BVG: Stellt als Kontrolleure gefälligst Leute ein, die zumindest Englisch können (Deutsch wäre auch nett). Berlin wird von vielen Touristen besucht, und fast jedes Mal erleb ich, dass auch Kontrolleure der weit verbreiteten Ansicht sind, dass jeder Ausländer eine so schwierige Sprache wie Deutsch verstehen kann, sobald man ihm die Sätze langsam entgegen brüllt. (An die Leute, die das immer machen: Seid ihr ständig so blöd oder sind das temporäre Aussetzer?) So eine Behandlung (auch wenn sie mich nicht betrifft) ist ebenfalls sehr unfreundlich und sorgt mit dafür, dass die Deutschen so einen schlechten Ruf im Ausland haben. (Neben unseren bewaffneten Wandertagen in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, versteht sich. Aber das mit den Fremdsprachen ist mindestens genauso schlimm. Mindestens.)
Halbwegs lobend erwähnen möchte ich jedoch eine Begebenheit am Bahnhof Zoo in Berlin. Dort gibt es einige Ganoven, die Touristen gerne mal abgelaufene Tickets andrehen. Ein paar Japanerinnen hatten sich gerade übers Ohr hauen lassen, als ein Wachmann heran sprintete und die beiden Damen darüber aufklärte, dass ihr erworbenes Ticket "not guilty" sei. Nun heißt zwar "guilty" nicht "gültig", sondern "schuldig", aber ich geb noch eine 2- für den guten Willen. (Ich weiß aber nicht, ob die Japanerinnen verstanden haben, dass ihr Ticket nicht schuldig war.)
So, was noch? Ach ja, Busfahrer! (Jepp, ich hab mich grad auf den öffentlichen Personennahverkehr eingeschossen, ich geb es zu.) Ich möchte hiermit anregen, dass jeder Busfahrer, der nicht in der Lage ist, einen Bus an Haltestellen sanft zu stoppen und ebenso sanft anfahren zu lassen, entlassen werden sollte. Wenn der Chauffeur darüber hinaus nach einem seiner radikalen Bremsmanöver den gefallenen Fahrgästen noch ein schnoddriges "Passensedochauf!" über die Lautsprecher entgegenrotzt, halte ich eine sofortige Auspeitschung am Straßenrand für durchaus angebracht. Solche Menschen sind auch im sonstigen Leben nicht nett. So, jetzt hab ich meinen Frust über die öffentliche Personenbeförderung genug ausgebreitet.

Ebenso großer Quell der Freude sind ja auch immer Verkäufer. Dass ich letztens in einem Süßigkeitengeschäft von der Verkäuferin missmutig angeschaut wurde, kann ich noch verschmerzen. Aber wirklich auf den Senkel geht's mir, wenn sich (wie häufig in großen Kaufhäusern zu sehen) zwei Verkäuferinnen an der Kassentheke unterhalten und den störenden Eindringling, der ja eigentlich nur die Arbeitsplätze der zwei Quasselstrippen erhalten möchte, erst mal giftig angucken und anschließend geschlagene 5 Minuten ignorieren, um bei einem dezenten Räuspern ein empörtes "Ist ja gut, ein bisschen Geduld, junger Mann" loszuwerden, gefolgt von einer weiteren Minute Quasselei mit eingelegter Ignoranz dem Kunden gegenüber. Ich bin sicher, ich bin nicht die einzige Person, die in ihrem Leben bereits mehrmals so etwas erleben durfte.

Kommen wir nun zu einer Form von Unhöflichkeit dem Kunden gegenüber, bei der man nicht einmal theoretisch die Möglichkeit hat, dem Verursacher aufs Maul zu hauen: DVDs. Ich bin sicher, ich bin nicht die einzige Person, die sie noch kauft. Und seit einiger Zeit darf man sich (noch bevor das Menü kommt) einen kleinen schockenden Film ansehen, in dem gesagt wird, dass Raubkopierer Verbrecher sind, im Netz nicht anonym surfen und bestraft werden können, und dass nur Original legal sei. (Übrigens ist das nicht die ganze Wahrheit...) Der dümmste Mist: Ich kann die Kacke nicht mal abbrechen oder beschleunigen, ich muss mir diese Grütze unbedingt nach jedem Einlegen antun. Und warum? Weil ich eine DVD gekauft hab. Den Dauerraubkopierer von nebenan (ihr wisst schon, der Typ ausm Kino, der nicht mit seiner doofen Freundin ficken will) aber juckt das überhaupt nicht, der holt sich den Film trotzdem direkt von der (wahrscheinlich in der Videothek oder von einem Freund ausgeliehenen) DVD, und wer so eine Raubkopie bekommt, der wird nie mit diesem nervigen Einspieler gequält. Im Endeffekt werde ich also dafür bestraft, viel Geld ausgegeben zu haben. Falls jemand von den Verantwortlichen das hier liest: Gewöhnt euch diesen Blödsinn gefälligst ab, ansonsten wächst mit jeder derart verschandelten DVD meine Bereitschaft, euch einen dampfenden Haufen auf den Schreibtisch zu legen - eine adäquate Visualisierung eurer Trailer gegen Raubkopierer. Versucht es doch wenigstens, amüsant und nicht so drohend zu machen. Bei "Der Wixxer" oder "Kalkofes Mattscheibe" war das schließlich auch kein Problem.

Wenn man mit unfreundlichen Menschen in ihrem Beruf konfrontiert wird, so wird diese Unfreundlichkeit oft mit dem Satz: "Ist doch auch nur ein Mensch" abgetan, oder in Berlin halt mit der sprichwörtlichen "Berliner Schnauze", die ja eigentlich doch eine Art innere Liebenswürdigkeit kaschieren soll. Nun, lasst es mich so ausdrücken: Schmiert euch diese Ausrede in die Haare! Diese Leute kriegen im Allgemeinen ihr Gehalt auch nicht abhängig von der Tagesform, es sind jeden Monat die gleichen Euro, die auf ihr Konto flattern, und nie wird eine Bank sagen: "Ja, also 300 Euro davon haben Sie aber für Tage gekriegt, an denen Sie scheiße drauf waren, da sind die jetzt auch nicht soviel wert wie die anderen Euro." In vielen Berufen ist der Umgang mit Kunden keine lästige Notwendigkeit, sondern eine der Grundaufgaben des Berufsbildes, und auch dafür wird man bezahlt. Und auch wenn ich als professioneller Schreiberling keinen direkten Kundenkontakt hab (bis auf den mit meinen Auftraggebern, zu denen ich immer freundlich bin): Ich kann es mir auch nicht erlauben, grottenschlechte Artikel (vielleicht noch gespickt mit Beleidigungen) abzuliefern, nur weil ich nicht gut drauf bin - ich würde einfach kein Geld bekommen und müsste alles noch mal schreiben, es sei denn, ich werde vollständig von meinen Aufgaben entbunden (sprich: gekickt). Und dann bliebe mir nur noch eines: Fahrkartenkontrolleur werden.

PS: Eben kam die Erinnerung an meine Kindheit wieder hoch. Ich war süße 13 und ging in einen Buchladen. Ich las mir die Klappentexte einiger Bücher durch, die mich interessierten. Ich war etwa 3 Minuten im Laden und merkte schon die ganze Zeit, dass ich von einer uralten Angestellten angeglotzt wurde. Nach einer weiteren Minute kam sie an und verlangte tatsächlich mein Portemonnaie, damit sie sehen könnte, ob ich die nötigen Finanzen besäße, um eventuell ein Stück Literatur zu kaufen. Ich hab ihr natürlich gesagt, dass sie das vergessen kann, und wurde dafür aus dem Laden geschmissen. Ich kann mich erinnern, sehr entsetzt gewesen zu sein. So eine alte Frau und so ungehobelt. Dabei gehörte sie noch zu einer Generation, die in Kindertagen bei schlechtem Benehmen eine reingesemmelt bekam. Und ich wünschte mir damals nichts sehnlicher, als genau das bei ihr zu tun...

6
Dir hat's gefallen? Dann erzähl deinen Freunden davon!

Mehr zu lesen:

Thumbnail

Liebesgrüße aus Leningrad

Text veröffentlicht im
Inzwischen hat sich selbst international herumgesprochen, was ich für ein toller Lebenspartner und Liebhaber wäre. Zeugnis dieser globalen Attraktivität... [mehr]
Thumbnail

Biste was, haste was

Text veröffentlicht im
Mitte November 2009 gab einem die Boulevardpresse wieder einmal die Gelegenheit, über die verrückten Exzesse der Reichen und Berühmten... [mehr]
Thumbnail

Wortgewalt

Text veröffentlicht im
Klopfer sorgt sich darum, dass inzwischen selbst Bilder oder Worte als Gewalt gelten und analysiert, warum das gemacht wird. [mehr]
Thumbnail

Wie kann man Klopfers Web unterstützen?

Text veröffentlicht im
Klopfer erzählt, wie man helfen kann, Klopfers Web zu erhalten und besser zu machen - sowohl ohne als auch mit Geldeinsatz. [mehr]

Nach oben