Klopfer in Tokio
Im Jahr 2006 machte ich meinen dritten Urlaub in Japan. Diesmal allein, aber mit Internetanschluss im Hotel, weswegen ich beschloss, regelmäßig über meine Reise zu bloggen. Da ich meinen Blog von Myblog.de abgezogen habe, sammle ich die Tokio-Einträge hier. Ich habe nie etwas über meine Rückreise geschrieben, das möchte ich nun nachholen, allerdings nicht sehr detailliert, da die ganze Sache immerhin schon Jahre her ist. Eine Anmerkung zu den Zeiten, die unter den Überschriften angegeben sind: Die beziehen sich auf die deutsche Zeit, nicht auf die japanische. Um herauszufinden, wie spät es zu der Zeit in Japan war, muss man acht Stunden addieren.
Die Bildrechte liegen natürlich alle bei mir, es wäre also schön, mich zu fragen oder zumindest lobend zu erwähnen, bevor man die Fotos selbst irgendwo verwurstet.
Nachtrag aus dem Februar 2023: Da zur Zeit meiner Reise geringere Bildschirmauflösungen und Bandbreiten üblich waren, hatte ich die Fotos damals stark verkleinert. Jetzt habe ich die alten Bilder durch größere Versionen ausgetauscht. An der doch etwas bescheidenen Qualität der Kamera konnte ich allerdings nichts ändern.
Found in Translation
(Geschrieben am 17. März 2006 um 14.05 Uhr)
Am 26. März geht's für mich wieder mal nach Tokio, und da ich in meinem Hotelzimmer einen Internetanschluss haben werde (so zumindest das Versprechen des Hotels), möchte ich euch während der Woche in Japan auf dem Laufenden halten, sowohl im Text als auch mit Bildern.
Wer gerne auf das Tokio-Blog verlinken will, der kann diese Verknüpfung verwenden.
Ich hoffe, ihr schaut dann ab dem 27. März (an dem Tag komme ich in Tokio an) bis zum 3. April (am 4.4. reise ich wieder ab) regelmäßig rein!
With dreams of a distant love, I'm a wandering satellite...
(Geschrieben am 27. März 2006 um 8.50 Uhr)
Endlich bin ich angekommen. Losgeflogen bin ich in Tegel - da war es schon ein Abenteuer, überhaupt mal ins Flugzeug zu kommen, weil irgendein Mexikaner vor mir seinen Pass vorlegte, um auszureisen, aber nirgendwo seine Einreise vermerkt war. Außerdem gab es eine Art Stau an der Landebahn, der dafür sorgte, dass wir eine halbe Stunde zu spät abflogen. Im Flugzeug saß ich neben einem gestrandeten Wal, und was das für meine Bewegungsfreiheit bedeutete, kann man sich ausdenken. Zum Glück war das Elend nach gut anderthalb Stunden überstanden, als wir in Heathrow landeten. Dort regnete es nicht wie in Tegel, war aber ebenso grau. Die lange Schlange bei der Sicherheitskontrolle konnte mich dann auch nicht mehr erschüttern, die sorgte immerhin dafür, dass die Wartezeit auf meinen Anschlussflug nicht mehr drei Stunden, sondern nur noch zweieinhalb Stunden betrug.
Als der Jumbo nach Narita schließlich abhob, hatte sich London dazu entschlossen, der Globalisierung zuliebe das Wetter aus Berlin zu übernehmen: Es schiffte. Außerdem war der Flug wieder zu spät dran.
Diesmal saß ich neben einem dürren Japaner, allerdings fängt man auf einem Flug, der 11 Stunden dauert, dann sowieso an, jeden Unbekannten zu hassen, der in der Nähe ist und einem den Platz klaut. Es gab zwei Mahlzeiten, bei denen ich immer den Kompromiss zwischen Hunger und Vergiftung finden musste. Warum muss Flugzeugessen immer muffig oder sauer schmecken? Und warum bestand das "Hühnchen" zu 80% aus Fett?
So gegen 4 Uhr konnte man dann endlich Japan sehen... zumindest einen entfernten Berg, dann die Stadt Niigata (allerdings war meine Sicht durch den Flügel der Boeing sehr eingeschränkt). Bei der Landung erlebte ich wie schon in London etwas, was ich nie verstehen werde: Warum stellen sich fast alle Leute mit ihrem Gepäck in den Gang, sobald das Flugzeug steht? Hat das irgendeinen Sinn, wenn die Tür noch nicht einmal offen ist? (Wenigstens waren es Linienflüge, da klatscht immerhin keiner bei der Landung, nur weil der Pilot die Arbeit macht, für die er ausgebildet ist.)
Na ja, jedenfalls hatte ich mich auf dem Langstreckenflug nicht einmal aus meinem Sitz bewegt, und daher führte mich mein erster Weg aufs Klo. Dann durch die Passkontrolle, Tasche abholen und einen Busfahrschein kaufen. Der "Friendly Airport Limousine Bus" fährt mit verschiedenen Linien vom Narita-Flughafen aus bestimmte Hotels und Bahnhöfe in Tokio an, unter anderem auch mein Hotel. Und das ist wichtig: Narita liegt 60 Kilometer von Tokio entfernt, man tut sich also keinen Gefallen, wenn man ein Hotel in Flughafennähe nimmt. Der Bus kostet pro Fahrt 3000 Yen, etwa 25 Euro. Das klingt erstmal viel, allerdings wird man für ein Taxi gerne mal mehrere hundert Euro los, während ein Zug etwa so viel kostet wie der Bus, allerdings so gut wie keinen Platz für Gepäck bietet und nicht direkt am Hotel hält.
Die Fahrt bis zum Keio Plaza dauerte etwas länger als anderthalb Stunden, auch wegen diverser Staus. Da es in Japan eine Autobahnmaut gibt, mussten wir auch dort durch. Als ich vor zwei Jahren zum ersten Mal hier war, erwischte ich einen Fahrer, der es sehr eilig hatte und volle Möhre auf die Mautstationen zuhielt, in einem unerschütterlichen Gottvertrauen, dass der Wächter rechtzeitig die Schranke öffnet. Inzwischen fahren die hier aber sehr viel vorsichtiger.
Der Bus hielt zunächst am Bahnhof von Shinjuku, dem belebtesten Bahnhof der Welt. Und dort stieg wirklich jeder außer mir aus. War mir fast ein wenig peinlich, dass der Fahrer sich wegen mir einige zusätzliche Minuten durch den Verkehr schlagen musste, nur weil ich nicht als Penner auf der Bank im Bahnhof übernachten will.
Und jetzt sitze ich in meinem coolen Hotelzimmer im 31. Stock mit einem fantastischen Blick auf Tokio. Ich hab Internet, Fernsehen und natürlich ein verschärftes Klo, dank dem ich alles mit warmem Wasser abspritzen kann, was es an meiner Rumpfunterseite nötig haben könnte. Den Wasserdruck kann man auch einstellen, allerdings kann man sich dadurch auch einen gepflegten Einlauf verpassen, wenn man den Druck zu stark wählt. Diese Hygienefunktion hat allerdings auch eine gute Berechtigung: Japanisches Klopapier ist wahnsinnig dünn und kaum zu mehr als zum Abtrocknen zu gebrauchen. (Übrigens sind auch die Taschentücher so dünn und halten keinen Schnupfen deutscher Bauart aus.)
So, es ist jetzt fast 16 Uhr, da werd ich mal rausgehen und ein bisschen die Umgebung erkunden. Hunger und Durst hätte ich auch, und die Minibar möchte ich auch nicht plündern, auch wenn es dort lecker Schweiß gibt.
Take the pain away, lead me with your light...
(Geschrieben am 27. März 2006 um 12.56 Uhr)
Da ich nun doch langsam starke Ermüdungserscheinungen spüre, beschränkte sich mein Erkundungsausflug lediglich auf eine Stunde. Obwohl ich Shinjuku bereits von früheren Urlauben kenne, so muss ich doch rauskriegen, ob es hier in der Nähe einen richtigen Supermarkt gibt und ob noch ein näherer McDonald's existiert. Zum ersten: Es gibt hier zwar die Combinis, welche alles für den täglichen Bedarf bieten und rund um die Uhr offen sind, aber die sind in Shinjuku nochmal einen Happen teurer. Und was den McD angeht: Ich bin einfach faul und will keine 500 Meter laufen. Es gibt in Japan scheinbar mehr McDs als in den USA, und in Shibuya stolpert man auch alle paar Meter über das goldene M, warum also nicht auch in Shinjuku?
Grad erst 16 Uhr und schon wieder müde...
(Geschrieben am 28. März 2006 um 9.10 Uhr)
So, dieses mal ist der Titel nicht aus dem Lied "Spirit Dreams Inside" von L'Arc en Ciel geklaut. Und weil sich einige Leute Fotos von mir gewünscht haben, zeig ich mal eins, welches ich heute morgen im Hotelzimmer machte.
Mein zweiter Tag in Tokio. Es ist jetzt 16 Uhr, und ich habe meinen ersten Ausflug heute hinter mich gebracht. Ich schlug mich zum Bahnhof durch, kämpfte mich durch die Massen und fuhr zunächst bis zum Hauptbahnhof von Tokio. Bei meinen bisherigen Besuchen hab ich es nie geschafft, die historische Seite des Bahnhofs zu betrachten, die 1914 gebaut wurde. Die modernere Ostseite ist einfach nur ein schwarzer Kasten. Nun hab ich auch dieses Pflichtprogramm hinter mich gebracht, und ich muss ehrlich sagen, dass es irgendwie beruhigend ist, auch mal ein altes Gebäude in dieser Stadt zu sehen, die alle paar Jahre die meisten Häuser einreißt, um schmalere, höhere und oft auch hässlichere graue Betonbauten hinzustellen.
Danach ging es zur Electric Town Akihabara. Schon seit Jahrzehnten ist Akihabara als Mekka für alles bekannt, was mit Elektronik zu tun hat, angeblich gibt es hier alles, was irgendwie mit Strom betrieben werden kann, ob in größeren Kaufhäusern oder aber in kleinen Läden in den Seitengassen. Seit einiger Zeit ist Akihabara aber auch das Paradies für alle Manga-, Anime- und Videospielefans. Sega betreibt hier eine Spielhalle, viele Manga/Anime-Shops haben sich angesiedelt, und so blüht hier im Kanda-Stadtviertel, welches eigentlich für seine vielen Buchhandlungen bekannt ist, auf einen bestimmten Bereich beschränkt eine kleine wilde Subkultur, die aber so einiges präsentiert, was man gern als typisch japanisch versteht.
Ich hab hier auch einige Bücher eingekauft, sowie ein paar der japanischen Version der Überraschungseier, die man hier aus Automaten ziehen kann, preislich zwischen 100 Yen und 500 Yen liegend. Der Großeinkauf hier muss aber noch warten. Leider führt der Laden, der letztes Jahr noch eine riesige Auswahl an Zugmodellen hatte, nun so gut wie keine mehr, also muss ich woanders suchen, um das Mitbringsel für meinen Bruder Steffen zu finden.
Zurück in Shinjuku gab ich erstmal viel Geld für weitere Bücher aus, im Wesentlichen Lehrmaterial für Japanisch und englisch-japanische Doraemon-Mangas. Doraemon ist eine sehr berühmte Roboterkatze aus einem Manga, der die Japaner bereits seit einigen Generationen begleitet. Doraemon wurde aus der Zukunft geschickt, um den Jungen Nobita, der faul und etwas doof ist, vor Schaden zu bewahren. Das versucht er, indem er aus seiner Tasche immer neue Gimmicks zieht, die Nobita dann aber irgendwie missbraucht und im Schlamassel landet. Sehr vergnüglich, aber wohl nichts für den deutschen Markt, da nicht aufregend genug.
Ich besorgte mir auf dem Rückweg ins Hotel auch noch was zu essen. In Kombinis (diesen 24-Stunden-Shops, die ich bereits erwähnt hatte) kann man sich Mahlzeiten aussuchen, die in der Mikrowelle gewärmt und dann eingepackt werden. So hatte ich heute also zwei Portionen Spaghetti, die einigermaßen gut schmeckten und relativ billig sind. Ich gönnte mir auch den Luxus zweier Kartons Kakao. Kakao findet man hier nicht in jedem Laden, und wenn, dann meistens auch nicht in großer Quantität. Ich versuche mir das so zu erklären, dass Japaner Milch nicht so gut vertragen, allerdings klärt das nicht die Frage, warum man hier durchaus pure Milch und noch mehr Milchkaffee in den Läden findet. Kaffee gibt's hier sowieso reichlich, ebenso wie Tee. An bestimmten Automaten kann man sich oft mindestens zwischen 10 Sorten Kaffee und 10 Sorten Tee entscheiden, nur ganz selten ist auch da mal Kakao dabei. Dabei hasse ich Kaffee, und japanischer grüner Tee ist auch nicht gerade etwas, für das ich über Leichen gehen würde. (Übrigens sind die Automaten hier durchaus in der Lage, kalte und heiße Getränke in Dosen anzubieten.) Der Kakaomangel ist ein echtes Defizit in Japan. Fast so schlimm wie die öffentlichen Abfalleimer. Die gibt's nämlich noch seltener als Kakao.