Megadoof
Ich bin im Prinzip ein optimistischer Kerl und glaube an die Lernfähigkeit der Menschen. Aber müssen die Menschen sich so wahnsinnige Mühe geben, meinen Optimismus zu zerstören?
Jedes Mal das gleiche Theater: Die Behörden machen eine große Seite dicht, die ihr Geld mit der illegalen Verbreitung von urheberrechtlich geschütztem Material verdient hat, und anstatt einfach zu sagen: „Schade, jetzt müssen wir uns ne neue Quelle für unsere Raubkopien suchen“, explodiert der halben Netzgemeinde der Kopf und es wird so getan, als hätte man den Dalai Lama verhaftet und der Meinungsfreiheit einen großen Schlag versetzt. Und sorry, das ist Bullshit.
Jetzt war also Megaupload mit Kim Schmitz dran. Laut Klageschrift hat man 175 Millionen Dollar mit der Seite eingenommen. Aus der Tatsache, dass Kim Schmitz in einer der teuersten Immobilien Neuseelands wohnte und mehrere Luxuskarossen sein Eigen nannte, und dem traurigen Fakt, dass ich nichts von dem Geld abbekommen habe, schließe ich, dass es sich – anders als es offenbar ein großer Teil der Netzgemeinde glaubt – bei Kim Schmitz nicht um einen modernen Robin Hood handelte. Simpel gesagt: Kim Schmitz und seine Kollegen haben mit fremdem urheberrechtlich geschütztem Material riesigen Reibach gemacht, und die Macher haben nichts von dem Geld gesehen. Also genau das, was man gerne den Plattenfirmen, Hollywoodstudios und Verlagen vorwirft, wenn man rechtfertigen möchte, dass man selbst etwas aus den zwielichtigen Ecken des Internets herunterlädt.
Behämmert ist es natürlich, wenn man offenbar wie die Piratenpartei ohne vorherige Überprüfung der Sachlage eine empörte Pressemitteilung herausgibt, in der dann solche Perlen stehen wie: „Megaupload betrieb Server, mit deren Hilfe Menschen Dateien austauschen konnten. Dabei hielt sich der Dienst nach eigenen Angaben strikt an die Regelungen des einschlägigen US-Gesetzes DMCA (Digital Millenium Copyright Act). Das Gesetz schreibt vor, dass ein Infrastrukturbetreiber wie Megaupload auf Hinweis eines Rechteinhabers beanstandete Dateien aus dem Netz nehmen muss.“
Der Dienst hielt sich nach eigenen Angaben an diese Vorgaben, und damit ist die Sache klar? Jemand, der das Gesetz bricht, würde doch nicht etwa lügen, oder? Ein Blick in die Klageschrift verrät, dass einer der Gründe für das Vorgehen gegen Megaupload darin bestand, dass bei einer Beschwerde durch Urheberrechtsinhaber nur einer von vielen Links auf den beanstandeten Inhalt deaktiviert wurde, aber die Datei selbst weiter erreichbar war. Ein weiteres Durchlesen der Klageschrift könnte vielleicht auch dem Verfasser der Pressemitteilung begreiflich machen, warum der Vergleich von Megaupload mit einem Lagerhaus hinkt. Megaupload belohnte Leute finanziell, deren Dateien häufig heruntergeladen wurden. Laut den in der Klageschrift zitierten E-Mail-Protokollen schaute man dann auch nach, was von den betreffenden Usern eigentlich angeboten wurde, und man zahlte auch dann aus, wenn es sich dabei um illegal hochgeladenes Material handelte. Teilweise sollen auch die Mitarbeiter selbst solche Inhalte hochgeladen haben. Und da bricht die Analogie mit dem unschuldigen Lagerhausbetreiber wirklich vollends zusammen.
Ich zweifle auch ernsthaft am Geisteszustand der Leute, die behaupten, Megaupload hätte ja bewiesen, dass die Leute auch zahlen würden für Musik und Filme und Software, aber die Rechteinhaber wären ja zu blöd, legale Angebote aufzubauen. Man überschlage einfach mal, wie viel Geld für jeden Urheber übrig bliebe, wenn man die Megaupload-Einnahmen auf alle aufteilen würde, deren Material unerlaubt bei diesem Dienst heruntergeladen wurde. Das wären wie viel? 0,1 Cent? 0,005 Cent? Kein Wunder, dass die Rechteinhaber nicht glauben, damit konkurrieren zu können. Und wie viel Musik wurde über Megaupload heruntergeladen? Gibt es da tatsächlich keine legalen Alternativen? Bei Amazon und Musicload kann man problemlos Lieder und Hörbücher als MP3 kaufen, sogar ohne Kopierschutz. Über iTunes kann man sich auch Filme kaufen. Ist halt nur alles viel teurer als ein Account bei Megaupload, über den man sich dann mal eben zwanzig Filme und 150 Lieder im Monat herunterlädt. Wenn das legal gewesen wäre und die Urheber beteiligt worden wären, wären ganz sicher noch mehr Leute zahlende User von Megaupload und den Schwesterseiten geworden, aber diese Leute hätten eben auch keine gerechteren Preise mehr bei Amazon, iTunes, Maxdome und so weiter bezahlt. Bei den Urhebern wäre dann im Endeffekt doch weniger Lohn für ihre Arbeit angekommen.
Es geht wieder mal nicht um Freiheit oder um die armen Künstler, die von der Industrie ausgebeutet werden, es geht nur ums Geld. Und auch für Kim Schmitz ging es nur darum, möglichst leicht Geld mit möglichst wenig Eigenleistung zu verdienen – sonst hätte er wohl auch kaum die Zeit gehabt, auf Platz 1 der Modern-Warfare-3-Rangliste zu landen. Auch wenn sich herausstellen sollte, dass manche Punkte der Klageschrift nicht zutreffen, so hat es Kim Schmitz nicht verdient, so blind von der Piratenpartei und anderen verteidigt zu werden.
Und da komme ich zu einem weiteren Punkt, der mich aufregt, und er hat mit diesem Bild zu tun, welches gerade im Netz die Runde macht.
Der Mann ist nicht zu 50 Jahren Haft verurteilt worden, er sitzt noch in Untersuchungshaft, die Verhandlung des Falles hat noch nicht mal begonnen. Sollte man vielleicht mal erwähnen, bevor man sich über das angebliche Strafmaß empört. Und er wird garantiert keine 50 Jahre im Knast sitzen müssen. Erstens werden reiche Leute selten wirklich hart bestraft, und zweitens: Selbst wenn er zu einer langen Haftstrafe verurteilt wird, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass er sie vollständig absitzen muss, bei glatten null Prozent. Dass so ein Strafmaß überhaupt denkbar ist, liegt schlicht und einfach an der Vielzahl der Einzeldelikte und dass es im amerikanischen Strafrecht möglich ist, sie so aufzuaddieren.
Oh, und weil wir gerade dabei sind: Dass die Razzia mit dem Megabox-Projekt zu tun hat, ist auch unwahrscheinlich. Kaum jemand hat davon gehört, also warum sollte das die Musikindustrie mehr jucken als die wahnsinnig erfolgreiche Megaupload-Seite? Die Razzia fand genau dann statt, als die Behörden wussten, dass Kim Schmitz anwesend sein würde – rechtzeitig zu seiner eigenen Geburtstagsfeier.
Bestimmt juckt es wieder einige, unbedingt anzumerken, dass es ja Blödsinn wäre, solche Seiten zu schließen, weil ja ständig wieder neue auftauchen würden. Mit der gleichen Begründung könnte man aufhören, gegen Kinderpornoseiten oder Autodiebe vorzugehen. Es geht nur darum zu verhindern, dass jemand ungehindert Profit mit illegalen Aktivitäten macht.
Könnten wir uns jetzt also um Sachen kümmern, die wirklich unserer Aufmerksamkeit bedürfen?
Gast
Amen...