Was wir im Unterschichtenfernsehen nie sehen werden
Das Fernsehen scheut sich nicht, die Tiefpunkte menschlicher Existenz auf den Bildschirm zu bringen, und das gerade dann, wenn die Zuschauer sich gegenüber den gezeigten Personen überlegen fühlen können. Nun ist die menschliche Existenz so langweilig, dass die Fernsehsender sich inzwischen fast nur noch die Handlung selbst ausdenken und dann ein paar arme Teufel anheuern, die das nachspielen dürfen. Dennoch gibt es einige Dinge, die wir im deutschen Prekariatsfernsehen nie sehen werden.
- Ein junges Mädchen möchte einen Typen aus dem Chat treffen, der angeblich 18 Jahre alt und supersüß ist. Ein paar Jugendpsychologen wollen sie davon abhalten, aber kommen zu spät - und müssen feststellen, dass es sich bei der Chatbekanntschaft wirklich nur um einen harmlosen 18-Jährigen handelt.
- Das Fernsehen wirft einen Blick auf das Alltagsleben einer fünfköpfigen Hartz-IV-Familie, und der Vater ist kein Alkoholiker oder Rassist, die Kinder sind wohlerzogen und weit davon entfernt, in die Kriminalität abzurutschen, und die Mutter ist kein 450-Kilo-Flusspferd, welches sich mit einer ausgewogenen Diät aus Fett und Zucker auf Kampfgewicht hält.
- Die Kamera begleitet einen Jugendlichen, der Onlinerollenspiele zockt. Er ist allerdings nicht abhängig, spielt nur alle zwei Tage für zwei Stunden, nachdem er seine Hausaufgaben gemacht hat, und er hat sogar eine Freundin.
- Man steckt einige Prominente in ein Lager, und sie sind wirklich prominent und gehen auch die ganze Zeit gesittet miteinander um, ohne übereinander herzufallen oder zu lästern.
- Ein Paar wandert aus, und sie haben vorher die Sprache gelernt, genug Geld gespart für das erste Jahr, beide bereits Arbeitsplätze in der neuen Heimat gefunden - und sie erleiden weder einen Kulturschock noch gehen sie sich nach kurzer Zeit vor lauter Frust an die Gurgel.
- Eine dicke Frau marschiert in eine fremde Wohnung, schmeißt die Schrankwand raus, möbliert alles neu - und am Ende gefällt es der Familie gar nicht.
- Die Ex-Frau eines prominenten Sportlers, die von einem Fernsehsender als Lifestyle-Expertin angeheuert wurde, schnappt sich einen jungen, sympathischen Burschen, löscht jeglichen Funken von Individualität in ihm, steckt ihn in Designerklamotten, verpasst ihm eine schmalzige Gelfrisur und trainiert ihm ein schmieriges Grinsen an. Daraufhin verliert der so gepimpte Jüngling Freunde, Freundin, Arbeitsplatz und sein gesamtes soziales Umfeld, und er muss sich nur zwei Wochen später mit Flaschensammlern am Bahnhof prügeln, um wenigstens ein kleines Einkommen zu haben.
- Zwei Frauen tauschen für eine Woche ihre Familien, und sie überleben es, ohne die jeweils andere für eine verkrampfte Fotze oder eine verkeimte Drecksau zu halten, etwas am Erziehungsstil der anderen auszusetzen, den Ehemann der anderen Frau zu ändern bzw. auf die Palme zu bringen oder der Tauschpartnerin einen Job zu besorgen. Am Ende treffen sie sich, finden sich sympathisch und versprechen einander ewige Freundschaft.
- Bei einer Talkshow geht es um Fettleibige, und keiner der anwesenden Wale tritt im Laufe der Sendung tanzend in Reizwäsche auf, um das Publikum davon zu überzeugen, wie sexy 250 Kilo Gewicht sein können.
Sonst in den Neuigkeiten: Es gibt ein Update.
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Punkt 7 habe ich so quasi schon im Fernsehen sehen müssen (bis auf den Umstand, dass die betreffende Frau ein Model war). Ansonsten: so was von wahr.