Bundestagsqual
Morgen steht die Bundestagswahl an, und egal wie sie ausfällt: Jede der Bundestagsparteien wird sich wie üblich zunächst über alles freuen, was sie aus den Ergebnissen extrahieren können. "Wir haben ein Direktmandat dort bekommen können, wo wir es in den letzten 20 Jahren nicht bekommen haben", "Seit den Umfragen vor zwei Monaten haben wir trotzdem enorm aufgeholt", "Die anderen haben absolut gesehen noch viel mehr Stimmen verloren", und in der Woche danach kommen die Zeitungen mit Rücktrittsmeldungen nicht mehr hinterher, weil das Ergebnis dann doch nicht so super war.
Wahlempfehlungen möchte ich hier nicht geben. Entscheidet aber danach, wie ihr die Politik der Parteien fandet, nicht nach den Wahlversprechen, die sie jetzt (unter anderem im Wahl-O-Maten) geben. Würde man die ernst nehmen, wäre die einzig logische Erklärung, dass die Parteien in Regierungsverantwortung in Bund oder Ländern in den letzten Jahren von Körperfressern unterwandert wurden, die erst jetzt besiegt werden konnten. So viele Dinge, für die man gestimmt und gestritten hatte, stehen jetzt angeblich im Wahlkampf im Gegensatz zu den eigenen Überzeugungen. Angeblich stehen z.B. alle Parteien der Killerspiel-Debatte kritisch gegenüber, auch CDU und SPD - und trotzdem stand ein "Killerspielverbot" 2005 im Koalitionsvertrag zwischen den beiden Parteien. Und wie schon Franz Müntefering damals sagte: "Wir werden als Koalition an dem gemessen, was in Wahlkämpfen gesagt worden ist. Das ist unfair."* Bei Konrad Adenauer hieß es noch: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern." In der modernen Umgangssprache darf man das getrost verstehen als: "Leckt uns, niederes Stimmvieh. Ihr habt jetzt vier Jahre Sendepause, also mischt euch nicht ein, wenn die Elite bestimmt." Klassisch gebildete Personen können aber auch die Worte des preußischen Monarchen Friedrich Wilhelm IV. erkennen: "Das Volk ist mir zum Kotzen."
Wohl gar nicht mehr zu verhindern ist eine weitere Amtszeit von Angela Merkel (und damit auch Schäuble und vdL), und auch die Abschaffung des verminderten Mehrwertsteuersatzes für Lebensmittel, Bücher usw. scheint ja insgeheim schon beschlossene Sache zu sein. Keine verwegene Spekulation ist ebenfalls, dass vielen Firmen ab nächster Woche ganz spontan einfällt, dass sie ja viel zu viele Leute beschäftigen und Massenentlassungen unausweichlich sind. Es wird also nicht besser werden, egal für wen ihr stimmt, aber eventuell werden einige Dinge weniger schlimm als erwartet, je nachdem für wen ihr stimmt. Wenn ihr gar nicht wählen geht, dann ist es eh egal, was ich schreibe. Egal wie ihr euren Sonntag verbringt, ihr könnt euch ja auf die endlosen Debatten im Fernsehen schon mal seelisch mit Polit-Bash.org vorbereiten. Und ich werde jetzt noch mal in mich gehen und überlegen, bei wem ich denn nun meine Kreuzchen machen soll... (Wenn ich nach den Plakaten gehe, die vor meinem Haus sind, würde ich am ehesten wohl den Zirkus Aron wählen.)
* Mitte September musste eine Fokker 100 in Stuttgart notlanden, in der auch Franz Müntefering saß. Solche Sprüche wie oben sorgten vermutlich bei nicht wenigen Leuten aber dafür, dass man sich nicht so recht über den glimpflichen Ausgang freuen konnte, sondern die Sache eher wie eine verpasste Chance sah, diesen Dummschwätzer loszuwerden.
Gast
Ich denke ich wähle die selbe Partei, wie die meisten, die täglich im Internet unterwegs sind: CHRISTLICHE MITTE!
Nebenbei bemerkt: Gestern haben wir in der Schule den Schülersprecher gewählt. Da konnte man sich für einen von drei Deppen entscheiden.
Und vorgestern haben wir in der selben Schule eine Art Vorwahl zur Bundestagswahl veranstaltet (die Ergebnisse kann ich gerne am Montag verkünden).
2009, das Wahljahr, in der Tat.