Drecks-PC und Youtube-Fakes
Nuff! Ich grüße das Volk.
Gelegentlich lasse ich nebenbei zur Entspannung einige Videos laufen, in denen alte Sachen repariert werden. Es hat etwas Beruhigendes, anderen bei der Arbeit zuzusehen und selbst dabei rumgammeln zu können. Doch seit einiger Zeit spült Youtube Videos in meine Empfehlungen, die nur so tun, als würden sie etwas Kaputtes restaurieren.
Zuerst fiel es mir bei Modellautos auf: Bestimmte Kanäle zeigen ständig kaputte Modellautos, deren Schadensbild sich bemerkenswert ähnelt. Egal wie alt oder jung das Auto ist, es sieht immer so aus, als hätte jemand kräftig ein paar Mal mit dem Hammer draufgehauen, es angezündet und dann in einem Erdhaufen verbuddelt, um es nach einem halben Tag wieder auszugraben. Am Ende sehen die Teile dann wieder aus wie frisch aus der Fabrik, was sie zur Zeit der Aufnahme wahrscheinlich auch waren. Vermutlich ist es schwieriger, einzelne Ersatzteile für ein Modell vom Lamborghini Aventador vom Hersteller zu kriegen, als für das lebensgroße Vorbild.
Wirklich eklatant fällt der Schwindel aber auf, wenn man sich (meistens vietnamesische) Kanäle anguckt, auf denen man sich eher um Elektronik kümmert, also etwa um Computer und Spielkonsolen. Beispielhaft möchte ich mal ein 14-minütiges Video herausgreifen, bei dem man nicht mal ein Experte sein muss, um das Gefühl zu kriegen, dass einem hier dreist ins Gesicht gelogen wird. (Ihr müsst das Video jetzt nicht zwingend angucken, ich nehme es selber detailliert auseinander.)
Ein Vietnamese fährt übers Land und findet am Straßenrand in einem kokelnden Müllhaufen mal eben einen übel zugerichteten PC. Ich bin sicher, das passiert täglich dort.
Das Gehäuse ist definitiv hinüber, aber dennoch nimmt der junge Indochinese die Ruine mit, um sie unter Zuhilfenahme von extremer Videoschnittmagie wieder in den Ursprungszustand zu versetzen.
Die Inspektion der Trümmer auf dem Tisch offenbart, wie sorgfältig man das eigentlich schwarze Gerät mit Schlamm eingepinselt hat. Das ist natürlich extrem amateurhaft: Selbst in einer Schlammlawine würde ein Computer nie so eine gleichmäßige Dreckkruste bekommen.
Nicht nur das Gehäuse ist irreparabel eingedellt, auch das optische Laufwerk scheint sich heldenhaft geopfert zu haben, um den Aufprall einer Bowlingkugel auf den Boden abzufangen. Mehrmals. Erstaunlich, dass Festplatte und Mainboard von der Gewalteinwirkung verschont wurden.
Das Mainboard wird erst mal von Lüfter, Prozessor und RAM befreit, bevor man es in einer Schüssel Wasser spült. Die Stützbatterie nimmt man aber nicht raus. Der Vietnamese bewundert neben einigen vergewaltigten Kondensatoren auch einen halb abgerissenen Chip, bevor er mit einem Multimeter rumspielt.
Mit einem kruden Lötkolben werden die Kondensatoren ausgetauscht und die Beinchen des Chips wieder amateurhaft festgelötet. Anschließend kommt der Prozessor wieder rauf. Die RAM-Riegel, die aus einer Frischhaltefolie gepellt werden, sollen wohl den Eindruck erwecken, neu beschafft worden zu sein, aber sehen genauso aus wie die, die der Herr vorher vom Board gepopelt hat, nur sauber. (Die Riegel sind nicht baugleich, daher erkennt man sie recht gut.)
Dem optischen Laufwerk sieht man an, dass selbst der liebe Gott das nicht mehr funktionsfähig kriegen würde, trotzdem schraubt Ho Chi Minh junior es auf, bevor ihm offenbar aufgeht, dass man da nicht mal einen Reparaturversuch auch nur halbwegs überzeugend faken könnte.
Dann kann man ja jetzt das völlig dreckverkrustete Netzteil öffnen, einige Kabel abkneifen und das Ding so auseinandernehmen, dass am Ende sogar ein loser Überraschungskondensator auftaucht, der in den vorherigen Einstellungen gar nicht vorhanden war. Auch das Zeug wird in der Waschschüssel geputzt und dann grob zurechtgelötet. Dicke Lötzinnklumpen, die die Beinchen einiger Bauteile überbrücken, machen ja auch nichts. Am Ende gibt's sogar einen silbernen Anstrich aus der Sprühdose.
Die nächste Szene ist ein persönlicher Höhepunkt für mich: die "Reparatur" der Festplatte. Die kriegt natürlich auch erst einmal ein Bad in der Schüssel. Das Aufschrauben ( ) offenbart eine Überraschung. Das Ding ist auch innen voller Modder. Festplatten sind versiegelt, da kommt im Normalfall vielleicht dreckiges Wasser rein, aber nicht so ein grober Schmutz. Im Prinzip ist das Ding auch schon ruiniert, trotzdem wird auch das Innere geputzt und trockengefönt. So richtig sauber sind die Scheiben nicht, als Charlie das Gerät wieder zusammenschraubt, aber so wichtig ist ein funktionierendes Bootlaufwerk natürlich nicht.
Schließlich wird das Gehäuse selbst gewaschen, grob in Form gehämmert und schwarz eingesprüht. Und wie durch ein Wunder sieht es einen Schnitt später brandneu aus, als es auf dem Tisch steht.
Schon geht es an den Zusammenbau. Das DVD-Laufwerk wird falschherum eingebaut, das Einsetzen des Mainboards macht man sich selbst schwieriger, weil man das Gehäuse nicht hinlegt, und beim Netzteil habe ich nur darauf gewartet, dass der Typ es fallenlässt und dabei den Prozessorlüfter auf dem Mainboard wegrasiert, aber abgesehen davon gibt's auch sonst nichts zu loben. Immerhin: Am Ende hat die Frontblende sogar wieder den Knopf zum Einschalten, der schon ganz am Anfang auf dem Müllhaufen fehlte.
Jetzt sollte man den Computer eigentlich ausprobieren, aber es fehlt der Monitor. Zum Glück haben die fleißigen Vietnamesen noch einen schlammigen Monitor aus einem anderen brennenden Müllhaufen am Straßenrand gezogen, der noch gefälschter aussieht als der Rechner selbst. Wie man einen Monitor unabsichtlich so kaputtkriegt, ist mir schleierhaft, aber fleißig wird das (saubere) Glas aus dem kaputten Display gepopelt, bevor man das Gerät auseinandernimmt.
Auch innen ist der Monitor schön gleichförmig mit Modder bedeckt. Mit Ausnahmen.
Wieder wird die Elektronik im Eimer geputzt und zurechtgelötet, und es wird ein (ebenfalls aus Frischhaltefolie gepelltes) Display eingebaut, weil es in Vietnam offenbar einfacher als hierzulande ist, Ersatzteile für einen zehn Jahre alten Samsung-Monitor zu kriegen. Natürlich kriegt auch hier das Gehäuse eine Dose Farbe ab, was erstaunlicherweise weder den Samsung-Schriftzug noch die Typenbezeichnung verdeckt.
Zeit für den Funktionstest! Und wie durch ein Wunder startet von der übel zugerichteten Festplatte Windows 7 - und zeigt, dass das Monitor-Display nicht in Ordnung ist und dauerhaft eine vertikale Linie das Bild verunstaltet. Selbst fürs ordentliche Fälschen der gelungenen Reparatur ist man zu dämlich...
In dieser oder ähnlicher Weise werden auf einigen Kanälen Geräte und allerlei anderes Zeug vorgeblich restauriert, und jedes Mal hat man das Gefühl, dass die Macher sich vornehmen auszuloten, wie groß sie den Bären machen können, den sie einem aufbinden wollen.
Etwa bei einem zerstörten Laptop:
Oder bei einem IPhone, das man im Bauschutt "gefunden" hat:
Alternativ auch bei einem keimigen Game Boy Advance:
Oder dem Glanzstück: einem Playstation Gameboy.
Das ist nur ein sehr sehr kleiner Ausschnitt des großen Universums der Fake-Restoration-Videos auf Youtube, und man muss immerhin sagen, dass die meisten Kommentatoren auf den Schwindel nicht hereinfallen. Dennoch werden ihre Kommentare von den Videomachern häufig mit einem Daumen nach oben belohnt: Jeder Kommentar und jede Bewertung gilt als Engagement und wird von Youtube wohlwollend berücksichtigt, wenn es darum geht, den Nutzern Videos auf der Startseite zu empfehlen.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!
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HumbleBundle hat derzeit einen Black-Friday-Sale, daneben aber auch Bundles wie etwa das "Sandbox-Bundle" mit Spielen wie Universe Sandbox, Kerbal Space Program oder den Totally Accurate Battle Simulator, das "Creating Comics, Mangas and Animation"-Bundle, das "Ultimate Writing Bundle" für Autoren (und die, die es werden wollen) oder das "Cyber Security for Hackers and Developers"-Bundle mit Kursmaterialien zur Weiterbildung.
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Puh, das war harter Stoff. Wir sehen uns beim nächsten Mal!
Premiummitglied
Solch kleine Teile lötet man mit einem Heißluftlötgerät, weil keiner so eine ruhige Hand hat. Als ich noch keins hatte, hatte ich so was im Backofen bei Umluft gelötet (sollte eine Dame im Haus sein, kann man davon ausgehen, dass sich ihre Begeisterung in engen Grenzen hält. Diese Grenzen sind mathematisch einfach zu beschreiben. Sie sind kreisförmig und der Radius beträgt exakt 0).
Übrigens' Irgendwas mit dem link zu Amazon ist bei dir schief gelaufen...