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Parteienlandschaft

Demokratie an sich ist ja eine schöne Sache. Die herrschenden Volksverräter fragen alle paar Jahre mal den Pöbel, ob er immer noch der Meinung ist, dass die Nasen der Opposition noch schlechtere Arbeit leisten würden als man selbst, und nach der Wahl gibt es bei den Verlierern großes Wehklagen, die Gewinner können vor Überheblichkeit kaum noch laufen, und die Wählenden selbst sind allesamt total sauer, weil entweder das falsche Pack an die Macht kommt oder die Wahlversprechen ungefähr so viel wert sind wie heutzutage ein Schwangerschaftstest für Queen Elizabeth. Die Medien tun in dieser Zeit so, als würden sie sich an ihre journalistischen Grundaufgaben erinnern, um dann nachher entsetzt zu rätseln, warum ihre Wahlprognosen so daneben lagen und sie voreilig den falschen Gaukler zum Sieger der Wahl ernannt haben. Wie man sieht: Spaß für alle, die alt genug sind, um selbst zur Wahlurne latschen zu dürfen.

Dummerweise kam irgendwer mal auf die Idee, dass nichts wichtiger wäre als Individualismus. Nun ist zwar Individualismus fast so geil wie Demokratie, aber er ist eher hinderlich dabei, wenn es darum geht, möglichst viele Leute für eine gemeinsame politische Arbeit zu vereinen. Und deswegen haben die großen Parteien auch ein Problem: Sie verlieren Wähler an die kleineren Parteien, andere wählen gar nicht mehr, und die schön eingefahrene Praxis in den Parlamenten mit zwei großen Brocken und ein paar kleinen Krümeln, die für die großen Brocken die Mehrheitsbeschaffer spielen, geht langsam den Weg des Dodos. Die CDU ist deswegen so verzweifelt, dass sie mit dem Slogan „C wie Zukunft“ offenbar um die bisher sträflich von der Politik vernachlässigte Gruppe der Legastheniker wirbt. Der Krümel FDP, der ja für lange Zeit in der bundesrepublikanischen Geschichte sowohl für die CDU/CSU als auch für die SPD den Mehrheitsbeschaffer spielen durfte, ist besonders klein geworden – bei Bundestagswahlen könnten sie vielleicht noch mit viel Glück um Sackhaaresbreite den Einzug ins Parlament schaffen, und wenn ich die Wahlwerbung in Osnabrück richtig interpretiere, passen dort inzwischen alle FDP-Wähler auf ein Plakat drauf. (Es sind übrigens acht.) Früher dachten die liberalen Genossen, der Möllemann wäre schuld am Niedergang, inzwischen ist Westerwelle der Buhmann, aber zu dem Gedanken, dass man sich nicht wirklich beliebt macht, wenn man in wirtschaftlichen Krisenzeiten die beklopptesten Ideen des Neoliberalismus in den Äther furzt, hat man sich noch nicht durchringen können.

Zum Glück hat der geneigte Wähler ja eine riesige Auswahl an Parteien, denen er seine Stimme schenken darf, egal wie abstrus Weltsicht und Prioritäten sich auch ausnehmen mögen. Bevor ich aber einige Rosinen aus dem aktuellen Angebot des Parteienmenüs herauspicke, möchte ich der Gruppierungen gedenken, die inzwischen im Orkus der Geschichte verschwunden sind. So haben es die Deutsche Biertrinker-Union und die Autofahrer-Partei Deutschlands leider nie ins Parlament geschafft, obwohl sie – wie die Namen verraten – doch ein Wählerpotenzial hatten, welches in Deutschland wohl kaum zu übertreffen sein dürfte. Ebenfalls wenig Erfolg war der KPD/RZ (Kreuzberger Patriotische Demokraten/Realistisches Zentrum) beschieden, obwohl sie als Partei der extremen Mitte sich für so schöne Dinge wie die ökologische Kriegsführung durch Betanken der Panzer mit bleifreiem Kraftstoff und die Halbierung der Schwerkraft bis 2010 einsetzte. Glanzstück war vermutlich aber eine angemeldete Demonstration gegen nächtliche Ruhestörung – und zwar mitten in der Nacht, und zwar mit Rasseln, Tröten, Trommeln und dem lauten Skandieren des Wortes „Ruhe“.

Wenn schon das Biertrinken und die Befähigung zum Führen eines motorgetriebenen Fahrzeuges als Grundlage für politisches Engagement herhalten konnten, so wundert es wohl niemanden, dass so eine Banalität wie das Alter ebenfalls als bestimmender Faktor für die Entscheidung für eine Partei dienen kann. Wer sich ehrlich auf das Dasein als alter Zausel reduzieren lassen will, der hat die Wahl zwischen der Rentnerinnen- und Rentner-Partei, der Rentner-Partei Deutschland und natürlich der „Generationspartei“ Die Grauen. Trotz der stetig wachsenden Seniorenzahl sind die Erfolge dieser Gruppierungen höchst überschaubar, aber wenn das ZDF auf einem Wahlzettel auftauchen würde, wäre es vermutlich dank der Geronten die stärkste Partei überhaupt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Altersspektrums liegt „future! Die junge Alternative“, die überraschenderweise keine Yuppie-Zeitschrift ist, sondern tatsächlich eine Partei für junge Leute. Dummerweise werden die Leute auch ohne Anstrengung älter und fallen so automatisch aus der Zielgruppe heraus, was den Aufbau einer Stammwählerschaft vermutlich schwieriger macht als bei einer der oben erwähnten Seniorenparteien.

Wem statt der Falten der Inhalt der Hose wichtiger ist für die eigene Positionierung innerhalb der Parteienlandschaft, der darf sich auch gerne der Feministischen Partei Die Frauen anschließen. Allerdings wird das anstrengend, denn diese Leute sind der Überzeugung, dass Frauen bald wieder auf bewährte Art und Weise unterdrückt werden, wenn sie uns nicht ständig mit neuen Forderungen nach mehr Vaginen in Machtpositionen auf die Nüsse gehen. Mitglieder hat die Partei übrigens nicht. Stattdessen kann man Mitfrau werden – auch als Mann, warum auch immer man sich das antun sollte. (Mitglied ist grammatisch schon ein Neutrum. War offenbar aber immer noch zu männlich.) Als Mitfrau kann man sich dann engagieren im Bundesmitfrauenverband, in den Landesmitfrauenverbänden oder den Kreismitfrauenverbänden. Finanziell hat es die Partei allerdings inzwischen etwas schwerer – aus dem Topf für die staatliche Parteienfinanzierung gibt es nämlich nichts mehr, also muss die Partei vom abgezwackten Haushaltsgeld ihrer Mitfrauen leben.

Wenn alle anderen aber gar nicht reizen und sogar die Toleranz der Partei Bibeltreuer Christen nicht ausreicht, um eine entsprechende Stimmabgabe zu rechtfertigen, der findet garantiert eine dankbare Heimat bei der Partei für spirituelle Politik: den Violetten! Die Violetten sind der Überzeugung, dass man auf spirituelle Weise alle Probleme lösen kann, also sich quasi alles von selbst löst, wenn man nur ein höheres Bewusstsein entwickelt, sich dem Wohl des Seins verpflichtet und das Göttliche in allem sieht. So steht zum Beispiel im Parteiprogramm im Punkt „Sicherheit und Frieden“:

Ein höher entwickeltes Bewusstsein, das viele Konflikte vermeiden oder lösen kann, stellt einen großen Faktor der Friedenssicherung dar.

Wir lehnen Gewalt als Mittel zur Lösung von Problemen ab.

Am besten schicken wir die Violetten nach Afghanistan und schauen mal, wie weit sie damit kommen. Ebenso praktikabel sind die Vorstellungen im Bereich „Rechtswesen“:

Der "Strafvollzug" ist in erster Linie als Aufklärung der "Straftäter" über ihre Tat und die Bedeutung der Gemeinschaft für den Einzelnen anzusehen. Es werden z. B. Meditationsübungen und Seminare zur Bewusstseinsentwicklung angeboten. Der "Straftäter" trägt dazu bei, den von ihm angerichteten Schaden wieder gutzumachen.

Ich will ja kein Miesmacher sein, aber ein Massenmörder braucht bestimmt keine Meditationsübungen, um zu einem besseren Menschen zu werden. Und wie die Wiedergutmachung aussehen soll, ist mir in diesen Fällen ebenfalls schleierhaft. Zwangsweise Zeugung von Kindern, um den von ihm ausgelösten Bevölkerungsschwund wieder aufzuholen?

Wirklich konkrete Konzepte sind bei den Violetten aber sowieso nicht zu finden. Sie auf echte Vorschläge festzunageln gleicht dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln, denn trotz ihres Bekenntnisses zur „offenen Kommunikation“ ergehen sie sich bloß in langwierigen Erklärungen, wie mit dem spirituellen Denken irgendwie alles gut wird, aber nicht, was sie eigentlich genau machen wollen. Macht eigentlich auch keinen Sinn, sie ins Parlament zu wählen, denn:

Wenn wir in ein Parlament gewählt werden, kann es nicht unser Ziel sein Veränderungen im Kampf gegen andere herbeizuführen. Allenfalls durch das schon erwähnte attraktive Vorbild, das andere auf unsere Konzepte neugierig macht und sie übernehmen lässt.

Soll heißen: „Wenn wir erst mal drin sind, finden uns die anderen so dufte, dass die unsere Arbeit erledigen.“ Den Grundgedanken, dass andere für einen arbeiten, weil sie einen so toll finden, habe ich zwar auch, aber ich gebe auch nicht vor, eine Partei zu sein, die dem Grundgesetz nach die Interessen ihrer Wähler in der Legislative vertreten sollte.

Im Endeffekt macht aber auch das die Violetten zu einer idealen Partei für Leute, die nicht wissen, was sie wählen wollen. Die Ideen (sofern sie überhaupt konkret genug sind, sie als Ideen und nicht nur als vage Hoffnungen zu bezeichnen) sind zwar zum großen Teil abstrus, jedoch kann man sich sicher sein, dass die Abgeordneten der Violetten selbst bei einem Wahlerfolg nichts tun würden, um sie auch umzusetzen und so Schaden anzurichten. Und angesichts mancher Ideen der etablierteren Parteien würde ich mir dann doch schon wünschen, dass die sich daran auch ein Beispiel nehmen. Unserer Cukunft zuliebe.

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