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Rassismus gegen Rassismus

Im Juni 2020 veröffentlichte die taz eine Kolumne von Hengameh Yaghoobifarah, in der sie Polizisten nach der Abschaffung der Polizei auf die Müllhalde wünschte, weil die für normale Arbeit dank ihrer faschistischen Geisteshaltung für andere Mitmenschen nicht zumutbar wären und sie sich auf der Müllkippe unter ihresgleichen am wohlsten fühlen würden. Das war nicht das erste Mal, dass die Frau in plumper Prosa kübelweise Hetze über Menschengruppen ausgoss, denen sie sich nicht zugehörig fühlte, um leckere Hassklicks der so getrollten Internetgemeinde einzusammeln, aber diesmal hatte sie wohl selbst bei den regulären taz-Lesern einen Nerv getroffen, von den angesprochenen Polizisten ganz zu schweigen.

Ich bin ja ein Freund von freier Meinungsäußerung, insofern muss ich zu der Kolumne sagen: Kann man machen – aber dann sollte die taz sich vielleicht auch besser verkneifen, weinerlich-empörte „Auch verbaler Hass ist Gewalt!“-Artikel in die Öffentlichkeit zu scheißen, sobald sich irgendwer von rechts im Ton vergreift.

Selbst innerhalb der taz-Redaktion waren die Meinungen offenbar gespalten, aber die Chefredaktion deklarierte den Text schließlich als Satire. Das muss die Désirée-Nick-Satireschule sein, deren Motto lautet: „Wenn eine Frau eine Menschengruppe beleidigt, ist es Satire und die Frau dann einfach voll stark.“

Zudem rechtfertigten die taz-Verantwortlichen die Äußerungen ihres Haustrolls folgendermaßen:

„Autorinnen oder Autoren, die selbst mehrfach zum Ziel rassistischer Beleidigungen und Bedrohungen geworden sind, können gleichwohl ein anderes Verhältnis zu dem Thema haben und das in emotionalere und zugespitztere Worte fassen als Autorinnen oder Autoren ohne entsprechende Erfahrungen.“

Das kann man auf zwei Arten interpretieren.

  1. Es ist verständlich, wenn Leute, die sich ungerecht behandelt fühlen, emotionaler in ihrem Ausdruck werden. Gut, kann man nachvollziehen. Allerdings: Jeder Mensch hat irgendwann Grund, megamäßig angepisst zu sein, weil er ungerecht behandelt wird (bzw. sich so fühlt). Queen Elizabeth II., Wladimir Putin, Michael Wendler, Donald Trump: Selbst die werden öfter ungerecht behandelt und hätten demnach mehr als einen Grund, verbal mal so richtig auf die Kacke zu hauen. (Ich gebe zu, dass ich das von der Queen gerne mal sehen würde.)
  2. Menschen, die sich rassistisch verunglimpft fühlen, dürfen sich emotionaler und zugespitzter äußern als andere. Das ist wiederum total beknackt.

Dummerweise scheint die zweite Interpretation heutzutage in den Medien und Universitäten immer bestimmender zu werden. Menschen bekommen aufgrund ihres (vermeintlichen) Opferstatus besondere Rechte, anderen auf den Sack gehen zu dürfen, und die anderen haben gefälligst die Fresse zu halten und sich devot über ihre angeblichen Defizite belehren und erniedrigen zu lassen. Und das alles soll irgendwie dazu führen, dass die Welt besser wird, Rassismus ausstirbt und alle Menschen sich gegenseitig ganz doll liebhaben. Wer das glaubt, würde auch einen Hausbrand mit Benzin löschen.

Frau Yaghoobifarah nutzt ihr Opferprivileg reichlich aus: Die Deutschen hätten eine Dreckskultur, wären von allen Weißen am unerträglichsten und „immer noch (und teilweise auch schon wieder) auf ihrem Nazi-Mindset hängengeblieben“ mit einem autoritär-faschistoiden Charakter. Und natürlich kommt sie kaum eine Kolumne aus, ohne die Deutschen als Kartoffeln zu bezeichnen. Aber wenn man ihr sagen würde, dass sie ihren undankbaren Arsch dann gerne (wie der von ihr zitierte Ai Weiwei) in ein anderes Land verfrachten kann, in dem die Leute nicht so schrecklich sind, wäre das für sie wieder ein Beweis für ganz furchtbaren Rassismus ihr gegenüber.

In so einer Stimmung wundert es nicht, dass andere sich als Aktivisten versuchen und schauen wollen, ob sie nicht mit geradezu absurden Opfernarrativen dafür sorgen können, dass der Schwanz mit dem Hund wackelt. Der Profi-Basketballer Moses Pölking etwa fordert die Umbenennung des Berliner U-Bahnhofs „Onkel Toms Hütte“. Diese Station ist nach einer im 19. Jahrhundert dort eröffneten (und mittlerweile nicht mehr existenten) Gaststätte benannt, dessen erster Besitzer Thomas hieß. (Inzwischen heißt die Siedlung dort so, auch wenn das Lokal längst verschwunden ist.) Und natürlich ist der Name nebenbei eine Anspielung auf den Roman von Harriet Beecher Stowe.

Und genau das sei ein Problem. Denn auch wenn der Roman viel dazu beigetragen hat, die Abschaffung der Sklaverei in den USA voranzutreiben, so sei „Uncle Tom“ für viele US-amerikanische Schwarze eine Beleidigung, weil das jemand wäre, der sich entmenschliche, um von den Weißen nicht als Bedrohung empfunden und so von ihnen besser behandelt zu werden als andere Sklaven. Kleine Info: Das ist für die Schwarzen in den USA eine Beleidigung, die die Ghetto-Gangster-Unkultur pflegen. Also Idioten. Nichtsdestotrotz: „Ich fühle mich davon persönlich angegriffen“, jammert Pölking im Berliner Kurier.

Es gibt (wieder) zwei Möglichkeiten.

  1. Er fühlt sich tatsächlich persönlich angegriffen. Dann ist er so irrsinnig sensibel, dass er quasi nicht lebensfähig und ein Fall für den Psychiater ist. Denn nichts an dem Namen ist ein persönlicher Angriff auf ihn oder ein Angriff auf seinesgleichen, er selbst hat auch nie Sklaverei erlebt und kann daher auch nicht behaupten, dass der Name über Umwege seine eigene oder die jüngere Familiengeschichte berühren und somit schlechte Erinnerungen wecken würde. (Das wäre sowieso ein ziemlich schlechter Grund. Niemand würde ernsthaft verstehen, wenn einen Menschen heutzutage negative Gefühle übermannen, weil er sich daran erinnert fühlt, dass seine Uroma aus den Ostgebieten vertrieben wurde, obwohl er das selbst nie mitbekommen hat.)
  2. Er ist eine Aufmerksamkeitshure und erwartet, durch das Behaupten persönlicher Betroffenheit besonderes Mitgefühl zu kriegen und damit etwas erreichen zu können, was er sich als persönliche Leistung ans Knopfloch heften kann. Im Endeffekt geht’s also darum, Einfluss und somit Macht auszuüben.

In beiden Fällen dürfte es kaum gerechtfertigt sein, wegen eines Menschen einen U-Bahnhof umzubenennen und im Zuge dieser Umstellung unnötig Geld zu verprassen. (Ich glaube auch nicht, dass sich jemand ernsthaft von der „Mohrenstraße“ in Berlin gestört fühlt.)

Auf Zeit Online pöbelte Christiane Kassama gegen Kinderbücher und Kinderlieder. Sie bedauert, dass die „Jim Knopf“-Bücher von Michael Ende noch oft gelesen werden, obwohl sie „viele Klischees, zum angeblich typischen Wesen und Äußeren von Schwarzen“ reproduzieren würden, die Titelfigur sei „so, wie sich Weiße ein lustiges, freches, schwarzes Kind vorstellen“. Ich habe „Jim Knopf“ nie gelesen, aber soweit ich es mitbekommen habe, spielt seine Hautfarbe in der Charakterisierung kaum eine Rolle, er ist eine absolut positive Figur und hat sicherlich keine rassistischen Einstellungen über Schwarze vermittelt.

Bei Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ bemängelt Kassama, dass Pippis Papa Sachen über fremde Länder erzählt und dabei nur eine Behauptung nicht zurückzöge, nämlich die, dass im Kongo die Menschen lügen würden. „Genau das bleibt auch bei den Kindern hängen, die das vorgelesen kriegen“, behauptet Kassama. Damit traut sie dem Gedächtnis von Kindern wesentlich mehr zu als ich. Ich vermute, dass mehr als 99 Prozent aller Pippi-Langstrumpf-Leser sich gar nicht an diese konkrete Aussage erinnern.

Auch den Katzentatzentanz findet Kassama problematisch, weil die Katze lieber alleine als mit anderen Tieren tanzt, bis sie am Ende einen Kater zum Tanzen findet. Kassama: „Was ist die Botschaft? Wer anders ist, ist eklig, ein Ärgernis, wird nicht akzeptiert. Bleib unter deinesgleichen! In dem Lied drückt sich eine Mehrheitsgesellschaft aus, die entscheidet, wer stachelig ist und wer nicht, wer mittanzen darf und wer nicht.“ Offenbar soll man nicht selbst darüber bestimmen dürfen, was man mit wem macht. Eine tolle Botschaft möchte Kassama als Gegensatz vermitteln. (Im vollständigen Liedtext tanzt die Katze übrigens durchaus mit allen Tieren, die sie zunächst als Tanzpartner ablehnt, nachdem sie ihr etwas ins Ohr flüstern.)

Christiane Kassama verdient ihr Geld damit, durch die Republik zu tingeln und den Leuten zu erklären, wie rassistisch alles ist, was sie mögen. Sie bedient damit einen wachsenden Markt, der durch eine (weiße) Amerikanerin noch angeheizt wird. Robin DiAngelo ist offenbar in einem wohlhabenden, recht rassistischen Haushalt aufgewachsen, aber projiziert ihre Erziehung auf alle anderen Weißen. Deswegen schreibt sie in ihrem Bestseller „White Fragility“, dass alle Weißen rassistisch wären. Man könne nicht weiß sein, ohne rassistisch zu sein, eine positive weiße Identität wäre unmöglich, und deswegen solle man nur danach streben, weniger weiß zu sein. (Klingt das nicht furchtbar rassistisch? Hm…) Und nun zieht DiAngelo durch die Vereinigten Staaten und streicht Spitzenhonorare von Leuten ein, die sich (falls sie weiß sind) gerne beleidigen lassen oder (falls sie nicht weiß sind) gerne neben den Leuten sitzen, die sich erniedrigen lassen. Rassismus ist unheimlich lukrativ – wenn das Ziel akzeptabel ist.

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Im Prinzip könnte einem das egal sein, schließlich bezahlen auch viele Menschen dafür, sich von Dominas erniedrigen zu lassen, und ich möchte kein Kinkshaming betreiben. Aber inzwischen werden immer häufiger Menschen dazu verpflichtet, Kurse zu „Diversity“ oder „Whiteness“ zu besuchen, um Job oder Studienplatz nicht zu verlieren. Viele Universitäten in den USA machen „Diversity classes“ inzwischen zur Pflicht, das Bankhaus JP Morgan verordnet seinen Mitarbeitern ebenfalls derartige Pflichtprogramme, und Seattle hat seine städtischen Angestellten je nach Hautfarbe in verschiedene Kurse gesteckt. Rassentrennung ist doch noch nicht tot, aber ihre Wiederbelebung kommt aus einer überraschenden Ecke. Die weißen Angestellten in Seattle mussten Seminare über „Verinnerlichte rassische Überlegenheit weißer Leute“ besuchen. Dort wurde von ihnen zum Beispiel erwartet, individuell zu berichten, wie rassistisch sie sich in den letzten Wochen gegenüber „People of Color“ verhalten hätten. Dass jemand dabei komplett unschuldig sein könnte, war nicht vorgesehen. (Dass Diversity Trainings so gut wie gar nicht funktionieren und keinen wesentlichen nachhaltigen Effekt haben, muss ich wohl nicht extra erwähnen, oder?)

Man kann als Weißer also nicht mal einfach seine Klappe halten und den Scheiß an sich vorübergehen lassen, bis die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird: Schweigen sei eine implizite Zustimmung zu rassistischen Strukturen und Praktiken. (Das ist eine Abwechslung. Als es in den letzten Jahren ums Bumsen ging, war Schweigen auf keinen Fall als Zustimmung für irgendwas zu werten.)

Es wird insgesamt kaum ein Wort so missbraucht wie „strukturell“, wenn es um Rassismus geht. (Alternativ geht auch „systemisch“.) Keiner von den Leuten, die der Meinung sind, der Kampf gegen „strukturellen Rassismus“ würde es erfordern, Leuten aufgrund ihrer Hautfarbe eine Erbsünde anzudichten, kann aber erklären, was diese Strukturen konkret sind und wie diese speziell dafür sorgen, dass ein bestimmter Mensch einem anderen bestimmten Menschen ein bestimmtes Unrecht antut. Diese Strukturen sind offensichtlich keine Gesetze, denn darin steht nichts Rassistisches. Es sind auch keine Vorgaben in Lehrplänen, denn die sind alle eher darauf ausgelegt, rassistische Vorurteile zu verringern. Anders als in den USA gibt es auch kein geschichtliches Erbe, welches altes Unrecht gegenüber Nichtweißen indirekt bis heute fortsetzt. (Bevor irgendein Vollidiot sich in irgendwelchen Kommentaren mit Halbwissen blamiert: Herero-Schädel in Museen sind keine Diskriminierung lebender Schwarzer in Deutschland, denn sie haben auf das Leben hier absolut null Einfluss.)

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