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Die Zone der falschen Freundschaft

Im Tierreich ist für viele Arten das Finden eines Geschlechtspartners eine recht klare Angelegenheit: Es treffen sich einmal im Jahr die männlichen Kontrahenten, hauen sich ordentlich auf die Nuss, und wer am Ende noch stehen kann, darf sein genetisches Material im Weibchen abladen, welches sich der Entscheidung des Turniers ergeben beugt, damit die Spezies nicht ausstirbt.

Beim Menschen ist das ein bisschen komplizierter. Und weil das Interesse an einem potenziellen Partner eben nicht bedeutet, dass dieser das Interesse auch erwidert, gibt es unter anderem die Friendzone – auch wenn diverse Elemente der Gesellschaft vehement versuchen, die Existenz der Friendzone zu leugnen.

Zunächst wollen wir mal definieren, was die Friendzone nicht ist. Friendzone bedeutet nicht einfach, dass man einen Korb von einer Person kriegt, die man sonst nicht besonders gut kennt. Die Friendzone beschränkt sich ausschließlich auf zwischenmenschliche Beziehungen, bei denen eine Seite ein nicht-platonisches Interesse an der anderen Seite hat, welche dieses Verlangen zwar durchaus zur Kenntnis nimmt, aber an einer Weiterentwicklung der Beziehung in dieser Richtung nicht interessiert ist.

Dies ist für die schmachtende Seite durchaus traurig und sehr schmerzhaft, aber im Prinzip auch nicht verwerflich, man kann schließlich niemanden zu seinem Glück zwingen. Die meisten Diskussionen drehen sich aber um eine bestimmte Ausprägung der Friendzone und dienen als unerwartet präzise Arschlochdetektoren. Ich rede davon, dass die Person der Begierde die ihr entgegengebrachten Gefühle ausnutzt und deswegen nicht klarstellt, dass sie an einer intimen Beziehung nicht interessiert ist. Oft wird durch kleine Gesten die Hoffnung des anderen Menschen immer mal wieder angeheizt, damit man diese Stütze emotionaler und materieller Art nicht so schnell verliert.

Um den Unterschied zu verdeutlichen, möchte ich mal ein Beispiel aus der allseits beliebten Twilight-Saga heranziehen: Ödbert (oder „Mike“, für diejenigen, die meine Lästereien nicht gelesen haben) ist bei Bella in der allgemeinen Friendzone. Er ist zwar mit Bella befreundet und würde ihr gerne die Furche pflügen, zumindest bis zu seiner Beziehung mit Jessica. Aber Bella stellt ziemlich schnell klar, dass sie von ihm nichts will und er keine Chance hat. Sie nimmt ihn auch nicht auf eine Weise in Anspruch, die über eine normale Freundschaft hinausgeht.

Ödbert
Ein Musterbeispiel für die allgemeine Friendzone: Ödbert.

Jacob allerdings, der Werwolf mit der T-Shirt-Allergie, ist eindeutig in Bellas fieser Art von Friendzone. Bella weiß, dass er total in sie verknallt ist, und sie nutzt das hemmungslos und bewusst aus. Obwohl sie ganz genau abschätzen kann, dass er ihre Anhänglichkeit als Ermutigung begreifen muss (und sie seine romantischen Avancen nur halbherzig abwehrt, solange er ihr nicht direkt an die Wäsche geht), missbraucht sie seine Hingabe für sich als emotionale Stütze. Und das macht sie nicht nur, um eine Trennung von Edward zu bewältigen und wieder Freude am Leben zu finden, sondern um sich selbst trotzdem noch wahnsinnig begehrt zu fühlen. In Twilight geht es nicht um eine echte Dreiecksbeziehung: Jacob hat nie eine Chance bei Bella. Sie hält ihn nur mit kleinen Gesten warm, um seine Gefühle auszubeuten, aber tut nichts, was seine Hoffnungen erfüllen würde. Sie gibt sich nicht einmal Mühe, etwas für ihn zu tun. Sein Lohn ist, dass Bella ihn nicht auslacht, wenn er ihr die Füße küsst. Das ist typisch für die böse Form der Friendzone. (Jacob kriegt nachher noch Bellas Tochter als Trostpreis, aber das ist ungeplant. Als Bella zuerst davon erfährt, will sie Jacob schließlich am liebsten den Hals umdrehen.)

Ödbert
Bella beutet Jacobs Gefühle für sie eindeutig aus. Böse Bella! mad.gif

Jacob ist natürlich ein Trottel. Aber das ist jeder, der verknallt ist, also kann man ihm das kaum ernsthaft übel nehmen. Jacob hat aber immerhin noch den Bonus, ein fiktionaler Charakter zu sein, der von einem allgemein als attraktiv anerkannten Schauspieler verkörpert wurde. Insofern wird er allgemein weniger harsch beurteilt als echte Leute in der fiesen Friendzone.

Viele werden sicherlich so ähnliche Situationen aus dem Bekanntenkreis kennen: Da ist ein Typ, der in eine Frau verliebt ist, lieber Typ, aber ihr gegenüber ein totaler Knecht. Sie muss nur mit dem Finger schnippen, und er steht um 10 Uhr abends mit der Leiter in ihrem Wohnzimmer und streicht die Decke. Er tröstet sie, wenn sie wieder mal von einem Scheißkerl verlassen wurde, sie lässt dabei dauernd kleine Anmerkungen fallen, dass ihr idealer Partner doch so sein müsste wie er, und lässt sich dann doch vom nächsten raubeinigen Kerl abschleppen. Und während sie sich von dem neuen Stecher fröhlich nageln lässt, steht der liebe Typ mit dem Akkuschrauber in ihrer Wohnung und montiert ihre neuen Küchenschränke.

Für einige Leute ist dabei tatsächlich der liebe Typ das Arschloch, welches eiskalt berechnend die eigene Schuftigkeit hinter Gefälligkeiten versteckt, nur um sein Gegenüber in die emotionale Abhängigkeit zu treiben. Anscheinend ist es für sie unvorstellbar, dass Menschen zu den Leuten, die sie mögen, auch nett sind. Und noch unvorstellbarer ist vermutlich die Annahme, dass man für den Menschen, den man liebt, auch einige Dinge tut, die man für andere eher nicht tun würde, weil man sich gerade dieser Person gegenüber möglichst positiv präsentieren will und als gute, zuverlässige Option für die Partnerwahl gelten möchte, indem man die Person oft glücklich macht. Nur zur Information: Das gehört zum menschlichen Balztanz dazu. Und ich möchte noch einmal erwähnen, dass Liebe eben ganz schön doof macht.

Für die kleine, aber in den letzten Jahren immer lautere Menge der Leute, die hinter dem Opfer der Friendzone in Wirklichkeit das pure Böse vermuten, scheint die übliche Vorgehensweise zwischen Verliebten zu sein, sich gegenseitig mit Steinen zu bewerfen und Obszönitäten zu brüllen, bis man sich auf beiden Seiten über die Gefühle der Gegenseite klar ist und zum Knutschen übergehen kann. Über diese Phase sollte man zwar spätestens ab der fünften Klasse hinweg sein, aber es würde erklären, warum einige Leute immer wieder auf echte Arschlöcher reinfallen. Die würden dann rüpelhaftes Verhalten mit Bekundungen innigster Zuneigung verwechseln.

In Wirklichkeit ist diese Interpretation aber eine psychologische Verteidigungsreaktion, die den Widerspruch zwischen Gefühl und Verstand auflösen soll. Schließlich ist da jemand, der dem Verstand nach eine tolle Partie wäre: zuvorkommend, freundlich, sammelt keine historischen Leberwürste, schlachtet keine süßen Babyrobben im gemeinsamen Bett und würde die Schwiegermutter zumindest nicht schon beim ersten Treffen mit „Na, du alte Brotspinne?“ begrüßen. Aber es knistert halt nicht, das Herz fängt nicht an zu klopfen und man stellt sich nicht jeden Tag vor, mit diesem Menschen allerlei Dinge zu tun, die bis heute in diversen US-Bundesstaaten verboten sind. Anstatt nun zu sagen: „Tja, es passt halt nicht“, bastelt man sich mental lieber zurecht, dass das makellose Auftreten nur eine finstere Täuschung wäre und dieser Mensch ein ganz übles Subjekt. Und schon hat man eine ideale, logische Rechtfertigung dafür, warum man ihn nicht attraktiv findet. Allerdings sollte man spätestens mit 20 Jahren reif genug sein, um solche psychologischen Krücken nicht mehr zu benötigen.

„Aber“, so höre ich schon eine imaginäre Masse von Lesern schreien, „ist Freundschaft denn so etwas Schlimmes?!“ Nun, liebe fiktive Masse, da muss man sich einfach die Frage stellen, inwieweit es sich bei der fiesen Friendzone tatsächlich um eine echte Freundschaft handelt. Das scheint mir wenig wahrscheinlich zu sein, wenn eine Seite die Zuneigung eines „Freundes“ ausnutzt und sogar immer wieder anheizt, anstatt ihm zu helfen, sich nicht weiter für eine erhoffte Beziehung zu erniedrigen, die es nie geben wird. Ich möchte noch einmal wiederholen: Liebe macht doof. Und als der nicht verliebte Teil der Freundschaft hat man die moralische Verpflichtung, als zeitweiliger Monopolist in Sachen Rationalität und Vernunft den Freund daran zu hindern, für einen selbst Dinge zu tun, die ihn von außen betrachtet herabwürdigen und ihm später furchtbar peinlich sein werden. Schließlich will man sich auf Augenhöhe begegnen können, selbst wenn einer dem anderen gerne mal im Schritt herumschnüffeln würde.

Bei der Gelegenheit hätte ich einen tollen Vorschlag, der mir vermutlich einen Friedensnobelpreis einbringen wird. (Oder muss ich dafür erst in ein kleineres Land einmarschieren und die Bevölkerung brutal unterwerfen? Ich bin zu allem fähig!) Wie wär’s, wenn wir beim Flirten einfach alle ehrlich wären? Wie wäre es, wenn man nur dann jemandem sagt, dass man sich eine Beziehung oder Ferkelkram mit ihm vorstellen könne, wenn man sich tatsächlich eine Beziehung oder Ferkelkram mit ihm vorstellen könnte? Das würde einerseits vielleicht dafür sorgen, dass wir viel mehr Ferkelkram miteinander treiben könnten, weil man sich endlich nicht mehr fragen muss, ob irgendwelche eindeutigen Zweideutigkeiten nur scherzhaft gemeint waren. Und andererseits würde es wesentlich weniger falsche Hoffnungen geben, die sich über Monate oder gar Jahre aufstauen und schließlich zu einem mittelschweren Nervenzusammenbruch führen, wenn dann doch der Groschen fällt. Das heißt nicht, dass man jedem, der nicht in diese Kategorien fällt, es auch ungefragt unter die Nase reiben muss. Es geht mir immerhin um den Weltfrieden und Ferkelkram (in erster Linie Ferkelkram), nicht um seelische Grausamkeit.

Zusammenfassend kann ich also nur folgende Kernaussagen wiederholen:

  1. Liebe macht doof.
  2. Ermutigende Bemerkungen über die etwaige Eignung des Gegenübers für die Kohabitation sollten der Wahrheit entsprechen und keine falschen Hoffnungen wecken.
  3. Die Welt braucht mehr Ferkelkram!

Falls euch das zu kompliziert ist, merkt euch einfach Punkt 3. Und Mädels: Ihr seht heute unheimlich scharf aus. *rrrrr* wink.gif

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