Auch hier finde ich, fehlt dir etwas die Empathie. Ich sass vor Jahren im Zug einem Mann gegenüber, der plötzlich seine Hand in der Hose hatte und da an seinem Penis rumgespielt/onaniert/keine Ahnung. Er hat es nicht so richtig auffällig gemacht, nur wer eh schon hingeguckt hat, hat es bemerkt. Ich war wie versteinert, es hat mich extrem angewidert, aber könnte nichts sagen und auch nicht aufstehen. Niemand hat was gesagt, ich weiß nicht, ob es viele andere auch bemerkt haben, aber auf jeden Fall haben die dann so getan, als würden sie es nicht sehen.
Ja, ich war da zwar etwas jünger als heute, ich glaube 16, aber ich weiss nicht, wie ich heute darauf reagieren würde. Ich bin so schüchtern, ich kann andere Menschen nicht ansprechen, und in einer solchen Situation reagiert nicht jeder so, wie er vorher vermuten würde. Man schämt sich, verdrängt es ("wahrscheinlich sieht das nur so aus - nicht, dass ich was sage und es war gar nicht so"), wartet auf Hilfe von aussen usw. So war das bei mir.
Ich muss aber klar sagen, dass ich es nach zwei Wochen wieder vergessen hatte und mich nur bei Gelegenheit dran erinnere, aber das kann anderen Menschen ja anders ergehen. Ich war da wahrscheinlich eh schon zu kaputt.
Und ich find's einfach scheiße, wenn daraus wieder so ein "Seht mal, wie groß der Sexismus ist in unserer Gesellschaft"-Krempel draus gemacht wird, als wäre jetzt die Gesellschaft im Allgemeinen und Männer im Besonderen daran schuld, dass es manche Kerle gibt, die gerne Fremden ihren Pimmel zeigen.
Versuch (gerade als Mann) mal, einem Typen im Zug zu sagen, dass er seine Zigarette ausmachen soll. Oder dass er seine laute Musik ausmachen soll. Ich hab häufig besoffene Typen im Zug erlebt, bei denen ich Angst hatte, dass sie mir auf die Fresse hauen, weil ihnen mein Gesicht nicht passt. Ein Typ hat mir im letzten Jahr Dresche angeboten, weil ich das Fenster zugemacht habe, als es zog. Als ich noch häufiger unterwegs war, hab ich das jeden zweiten Monat erlebt. Im Vergleich dazu wäre ich froh, wenn mein schlimmstes Problem ein Wichser wäre, der mir gegenüber sitzt. Und was fällt den Verkehrsunternehmen ein? Frauenabteile. Und die Medien feiern das, weil ja nur Frauen Angst haben müssen im Zug. Das nenn ICH mangelnde Empathie.
Das ist wie bei häuslicher Gewalt, wo sich fast alle nur auf Frauen als Opfer konzentrieren und alle Anstrengungen darauf richten, ohne zu begreifen, dass das ein Problem ist, welches beide Geschlechter betrifft und daher insgesamt angegangen werden muss.