Verdammte erfolgreiche Blagen!
Beim letzten Eintrag habe ich versprochen, dass ich über Kinder motzen werde. Das ist nicht die ganze Wahrheit. Eigentlich motze ich wieder über die Medien, aber das ist erstens nichts Besonderes und zweitens wollte ich etwas Gutes für die Kinderhasser unter meinen Lesern tun, die vermutlich in nahezu orgasmischer Vorfreude auf den Beitrag neue Sphären der menschlichen Wonne ergründeten.
Es ist ja in Ordnung, wenn man Kinder und Jugendliche motiviert und auch lobt, wenn sie etwas geleistet haben. Was mir aber extrem auf die Nüsse geht, sind die Massenmedien, die jeden unter 20 für irgendwelche angeblichen Leistungen in den siebten Himmel jubeln, die bei genauerer Betrachtung doch nicht so beeindruckend oder schlicht und einfach nicht vorhanden sind. Für die nicht beteiligten Kinder und Erwachsenen ist so etwas scheiße, weil sie vermittelt bekommen, dass sie Versager wären, und für die Jungs und Mädels, die auf diese Weise weltweit für ihre Brillanz gepriesen wurden, kommt irgendwann vermutlich der brutale Absturz, wenn jeder Arsch von ihnen in Zukunft uneingeschränkte Genialität erwartet, in diesen Erwartungen dann enttäuscht wird und sich kein bisschen mehr dafür interessiert, wie beeindruckend man sie fand, bevor sie Alkohol trinken durften. Vermutlich urteilt man noch harscher über sie als über ihre Altersgenossen, die nicht als angebliche Vorbilder durch die Medien geschleift wurden.
Eine Art dieser Medienhypes sind die Meldungen über angeblich geniale Jugendliche, die bei Wettbewerben für Nachwuchsforscher angeblich weltbewegende Entdeckungen oder Erfindungen gemacht haben und die gesamte Fachwelt auf den Kopf stellten. Kürzlich überschlugen sich die Medien mit Meldungen über eine Achtzehnjährige, die einen Super-Akku erfunden haben soll, mit dem sich Handys binnen 20 Sekunden vollständig aufladen ließen. Erst nach einigen Tagen wurde dann doch so einigen Journalisten klar, dass es ein wenig unwahrscheinlich ist, dass angesichts der vielen Millionen Taler, mit denen viele tausend Wissenschaftler und Ingenieure weltweit finanziert werden, um neue elektrische Speichertechnologien zu erforschen, eine Schülerin im Alleingang so einen technischen Durchbruch hinkriegen könnte und dafür auch noch bloß den zweiten Preis abräumen würde. Tja, im Endeffekt stellte sich heraus, dass ihre „Erfindung“ auf theoretischen und praktischen Vorarbeiten ihrer Betreuerin an der University of California basierte und es sich bloß um eine Art Superkondensator handelt, der als Akku überhaupt nicht zu gebrauchen ist. Die meisten, die die ursprünglichen Artikel gelesen haben, dürften davon aber nichts mitbekommen haben und stellen sich in ein paar Jahren vermutlich vor, dass die böse Industrie mal wieder eine geniale Erfindung unterdrückt, und zwar aus purer Schuftigkeit.
Wohlgemerkt: Ich glaube nicht, dass die Achtzehnjährige der Presse stolz erzählt hat, dass sie einen Super-Akku fürs Handy entwickelt hätte. Da sind einem Mietschreiber die Pferde durchgegangen, weil er dachte, das wäre so eine für den durchschnittlich blöden Leser interessantere Story, und jede Menge Kollegen rund um den Erdball haben dann sorglos abgeschrieben.
Eine besonders in den amerikanischen Medien verbreitete Art des Arschkriechens in unreife Poperzen feiert die Heranwachsenden als wirtschaftliche Wunderkinder. Je früher ein Kind angeblich ein eigenes Unternehmen eröffnet, desto besser.
Madison Robinson war gerade erst dreizehnson, als sie anfing, Gummilatschen mit Fischmotiv und Blinklichtern zu verscherbeln. Die Idee dafür hatte sie aber bereits mit acht Jahren. Was für ein kommerzielles Genie, oder? Wenn man aber den entsprechenden Artikel liest, wird schnell klar: Sie ist bloß ein Aushängeschild, in Wirklichkeit hat ihr wohlhabender Papa mit seinem Geld und seinen Kontakten selbst dafür gesorgt, dass die Schlappen designt und in Fernost produziert werden, vermutlich zum Teil von Kindern, die nicht viel älter sind als sein Töchterlein.
Anderes Beispiel gefällig? Das „Fahnenmast-Kind“ ist ein inzwischen 18 Jahre altes Mädel, was angeblich bereits mit sechs Jahren – inspiriert durch den glühenden Patriotismus ihres Vaterlands nach dem 11. September 2001 – anfing, Fahnenmasten zu verkaufen. Allerdings steht im Artikel, dass ihr Papa damals einfach dank seines Jobs einige Fahnenmasten übrig hatte und nach dem Aufstellen eines solchen Flaggenpenis im Garten von seinem Nachbarn gefragt wurde, ob er ihm nicht einen verkaufen könnte. Wenn Papi nicht damals sämtliche Arbeit erledigt hätte, würde sie vermutlich nicht einmal wissen, dass daraus ein Geschäft hätte werden können.
Diese Kinder sind nichts weiter als ein Marketinggimmick. Sie sorgen für Aufmerksamkeit, eben auch in den Medien, zumal viele Menschen einfach zu weichherzig sind, um so einem Gör, was einem etwas verkaufen will, einfach die Tür vor der Nase zuzuschlagen, wie sie es sonst mit jedem Staubsauger- oder Jesusvertreter machen. Irgendwann sind die Kinder dafür nicht mehr süß und jung genug, aber dafür können sie dann wirklich im Geschäft buckeln und das tun, was Daddy schon lange im Sinn hatte: für seine Altersversorgung arbeiten.
Eine Meldung wurde selbst in den deutschen Medien ganz groß gebracht: Yahoo legte letztens 30 Millionen Dollar für das Unternehmen Summly eines britischen 17-Jährigen auf den Tisch. Die Aufmerksamkeit von Yahoo erregte nämlich eine App für iPhones und Co., die Nachrichtenmeldungen zusammenfassen konnte. Echt beeindruckend, dieser Nick D'Aloisio muss ja echt ein Genie sein, technisch höchstbegabt und zweifellos mit seinem exzellenten Können ein echter Gewinn für Yahoo!
Bullshit. Den Algorithmus zum Zusammenfassen der Meldungen hatte er von einer anderen Firma lizenziert; die App selbst wurde gar von einem dritten Unternehmen programmiert. Irgendwie will mir nicht einleuchten, warum man den Knaben rund um die Welt als Genie feiert, obwohl seine größte Leistung darin bestand, nicht laut loszulachen, als Yahoo ihm einen dicken Packen Geld für seine „Wir tun mal so als ob“-Butze bot. (Das zeigt allerdings auch, dass die Führungsetage bei Yahoo, die diesen Kauf beschloss, Zugriff auf ein echt opulentes Drogenbuffet haben muss. Anders kann ich mir diese hirnrissige Entscheidung nicht erklären. Vielleicht wollten sie aber auch nur zeigen, dass sie noch 30 Millionen Dollar auf dem Konto haben, keine Ahnung.)
So, und was ist nun die Moral? Die Welt ist ungerecht. Das wusstet ihr allerdings schon. Insofern: Sorry, dass ich eure Zeit verplempert habe.
Gast
*hach*
Diese Wonne... 8)