Und der Besen hieß Kartoffelbrei
Mittlerweile habe ich gar nicht mehr die Illusion, dass man in den Teeniezeitschriften so etwas wie investigativen Qualitätsjournalismus erwarten kann. Und obwohl ich die Zeitschriften inzwischen immer mit einer gehörigen Portion Pessimismus aufschlage, so schlummert in mir doch noch die leise Hoffnung, wenigstens von den dussligsten Themen verschont zu werden. Und dann lese ich in der Mädchen so etwas:
"Mädchen Mystery" - nicht nur der Name weckt üble Assoziationen mit "Galileo Mystery".
Der Name ist jedenfalls Programm: Eine "Astrologin und Journalistin" marschiert bei einer selbsternannten Hexenfamilie ein, bindet den leichtgläubigen Lesern einen gehörigen Bären auf und stellt indirekt die Frage in den Raum, wie die Leute, die an so einen Mumpitz glauben, es überhaupt morgens vom Schlafzimmer ins Bad schaffen, ohne auf dem Weg dreimal beschissen zu werden. Mystery!
Hauptfigur ist die achtzehnjährige Leona, die "das Übersinnliche" von ihrer Mutter geerbt haben soll, was im Prinzip heißt, dass die Scharlatanerie ein Familienbetrieb ist. Die Weiber legen aber Wert auf die Feststellung, dass sie weiße Hexen sind. Rassisten. Daher machen die auch nicht alles; Liebeszauber sind zum Beispiel tabu, denn "diese Rituale gehören zur schwarzen Magie". Was nicht da steht: Sie funktionieren auch nicht und sind daher eher ungeeignet, um Leute zu bescheißen. Dann lieber irgendwelche vagen Voraussagen über die Zukunft treffen, auf die man nicht festgelegt werden kann. Aber lassen wir die Hexen selbst zu Wort kommen:
Wozu sollen magische Kräfte dann überhaupt gut sein? "Es gibt Momente, in denen brauchen Menschen einfach mehr Hilfe. Der irdische Beistand reicht dann allein nicht mehr aus", erzählt Leonas Mutter Valene. Wir verstehen nur Bahnhof[...]
Klar, das Geschwurbel hat ja auch keine Substanz, was will man da verstehen. Aber die Hexe hat natürlich einen Schwank zur Illustration parat.
"Um einer jungen Frau zu helfen, die massive familiäre Probleme hatte, schickte ich eine Freundin zu ihr nach Hause. Der Weg mit dem Auto führte durch einen dunklen Wald. Und weil sie sich ängstigte, begleitete ich sie mental von zu Hause aus, indem ich Kerzenmagie anwendete. So wurde sie auf der ganzen Fahrt über von einem Lichtstrahl begleitet, der ihr den Weg wies."
Das waren ihre Autoscheinwerfer, du hohle Nuss. Die junge Frau mit den familiären Problemen hat vermutlich Selbstmord begangen, sonst hätte die olle Hexe sicher mehr davon erzählt als von ihrer Heimleuchtung der Freundin. Die schreibende Esoteriktussi steigt natürlich voll auf den Humbug ein:
Eine Story, die uns beeindruckt, aber nicht mehr stutzig macht. Als wir zum ersten Mal mit Leona Kontakt aufnahmen, sorgte ihre Mutter bereits am Telefon für Staunen. Noch bevor wir ihr den Grund unseres Anrufes mitteilen konnten, wusste sie nämlich bereits: "Schön, dass sie darüber schreiben wollen, dass die weiblichen Mitglieder unserer Familie alles das Hexen-Gen haben!", begrüßte uns die sympathische Frau lachend. Seltsam! Bisher waren wir doch davon ausgegangen, dass nur Leona und ihre Mutter Hexen seien.
Ah ja, die wusste also, dass die Tussi angerufen hatte, um über etwas zu schreiben, was sie zu ihrer Überraschung erst beim Telefonat erfuhr. Bin nicht beeindruckt. Wenn man sich mit dem Satz "Ich bin Journalistin und schreibe für das Teeniemagazin Mädchen" vorstellt, ist es nicht mal eine Überraschung, wenn die Hexe was vom Schreiben erzählt.
Jedenfalls haben angeblich auch die zwei älteren Töchter und die drei Enkelinnen magische Kräfte. Und da ist ein Hexen-Gen ja viel wahrscheinlicher als die Möglichkeit, dass die einfach alle einen mittelschweren Lattenschuss haben, weil sie von einer Mutter aufgezogen wurden, bei der nicht alle Schrauben festgezogen sind.
Gratis?
Woran merkt man denn nun aber, dass man magische Fähigkeiten hat?
Leona: "Mit 14 habe ich zum ersten Mal festgestellt dass ich anders bin. Ich hatte andauernd Vorahnungen. Wusste also genau, was passieren würde. Auch wenn andere hinter meinem Rücken über mich gesprochen haben, wusste ich das immer genau."
Könnte daran liegen, dass die das nicht versteckt haben, weil es weniger Spaß macht, über jemanden herzuziehen, wenn der dadurch noch nicht einmal gedemütigt wird? Wenn Leona nicht die Lottozahlen vorhergesagt hat, kann sie sich ihre angeblichen Vorahnungen quer ins Rektum schieben.
Das heißt nicht, dass eure Mutter übersinnlich ist.
Es heißt nur, dass ihr schlecht lügt.
Leona lässt sich derzeit von ihrer Mutter im Hexenhandwerk ausbilden; eine Kunst indes beherrscht sie noch nicht: die Abwehr von schwarzer Magie! ... Normale Menschen denken sich jetzt vermutlich, dass das ziemlich wumpe ist, ob man sich gegen etwas verteidigen kann, was nicht existiert, aber Leona spornt das bloß an, ihre Studien fortzusetzen:
"Erst mit 28 Jahren werde ich eine fertig ausgebildete Hexe sein und anderen in solchen Situationen helfen können."
Pah. Jeanne d'Arc wurde mit 19 verbrannt, und du lässt dir noch zehn Jahre Zeit, bevor du dich mit anderen anlegst?
Wer sich jetzt aber denkt: "Super, für die Ausbildung so lange herumgammeln, ohne Sozialpädagogik studieren zu müssen, das will ich auch!", den muss ich enttäuschen. Die Karriere als Hexe steht nur denen offen, die genetisch dafür geeignet sind:
"Nein, diese Fähigkeiten müssen schon angeboren sein. Aber viele Mädchen haben sie und wissen gar nicht, dass in ihnen eine Hexe schlummert."
Mag sein, aber ihre Freunde ahnen das bei jedem Beziehungskrach. Scherz beiseite, ihr seht: Man muss zur HerrenHexenrasse gehören und genug Midichlorianer im Blut haben. Nichtsdestotrotz lässt sich die Edelste noch herab, uns die wichtigste Regel zu erläutern:
"Ganz egal, wie sehr dich eine andere Person geärgert hat, du darfst ihr niemals etwas Schlechtes wünschen! Denn alles, was du aussendest, kommt dreifach zu dir zurück."
Denkt also lieber darüber nach, ob ihr einer anderen Person mit einem Kerzenzauber helft. Denn bei euch im Zimmer wird es dann dreimal so hell.
Wer jetzt also eine zweite Bibi Blocksberg werden will, dem bietet die Mädchen "das kleine Hexen-Einmaleins".
Genau, Übung macht den Meister. Außer, du bist halt nicht als Hexe geboren, dann kannst du dir einen Wolf üben, und du machst dich nur lächerlich. Und wenn du zu den Karten greifst, mach lieber Poker und nicht Tarot, das bringt dir für die Zukunft mehr.
Was aber, wenn man ein Opfer der bööösen Hexen geworden ist und keine Hexe oder jünger als 28 ist? Auch da hilft die "Mädchen" weiter.
Es würde keinen Unterschied machen, wenn dort "Spinner, Spinner oder einfach Spinner" stehen würde. Aber wenn sich jemand mit mir streiten will, werde ich mir angewöhnen, ihn mit folgendem Satz auszubremsen: "Durch die Macht deiner Gedanken entsteht negative Energie! "
Muss man Psychoterror auch noch die Aura des Übersinnlichen geben, damit die Paranoiden nun auch noch vor Esoterikscheiß Angst haben müssen?
Genau, geh nur im Notfall zu einer Hexe! Eltern, Lehrer und Geistliche sind viel besser dabei, dir die Wahnvorstellungen aus dem Leib zu prügeln. Und Angelika Kallwass auch.
Hohepriesterin. Kann ich auch zu Dumbledore beten?
Ihr seht, das ist ein absolut ernstzunehmendes Phänomen und gar nicht zum Lachen. Und wenn ihr euch von schwarzer Magie bedroht fühlt, betet am besten zu höheren Mächten (Hasen), holt eure Eltern und ruft bei Leonas Mutter an. Ihr müsst dann nicht mal was sagen, die Alte weiß eh schon, was euer Problem ist.
Und wenn das alles nicht hilft, opfert ein frisch erlegtes Leberwurstbrötchen in einer Vollmondnacht auf einem steinernen Altar in einer Waldlichtung, das hilft sicher auch.
(Fehler in den Zitaten sind übrigens so aus dem Heft übernommen.)
Gast
Und wieder frage ich mich: "Wer berichtigt da die Fehler?" Sollte man so etwas als "Journalist" (Ich möchte hier keine echten Journalisten beleidigen, sonst werd ich noch mit einem schwarzen Fluch belegt) nicht eigentlich können?!
Zum Thema: Meine Güte, was ein Dreck. Was rauchen die da, um so etwas als ernsthaften Artikel in eine Zeitschrift zu stellen?