Die Debatte ums Urheberrecht - Teil 4
Hier ist der letzte Teil der Reihe über die Urheberrechtsdebatte.
Teil 1 - Teil 2 - Teil 3
Wie kann man nichtkommerzielles Kopieren fair erlauben?
Die Freigabe von Kopien für nichtkommerzielle Zwecke ist für viele eine zentrale Forderung bei der Neuordnung des Urheberrechts. Allerdings stellt sich hier die Frage, wo man eigentlich die Grenze setzen sollte. Ist ein Blog nichtkommerziell, wenn der Betreiber Werbebanner eingeblendet hat oder beim Amazon-Partnerprogramm mitmacht? Was ist, wenn nicht der Betreiber des Blogs selbst, aber der Anbieter der Blogplattform durch die Werbebanner etwas verdient? Was passiert, wenn ein nichtkommerzieller Blogbetreiber nach einiger Zeit so erfolgreich ist, dass er anfängt, mit seinem Blog Geld zu verdienen? Kann man davon ausgehen, dass er dann all die bisherigen Blogeinträge löschen wird, die nicht von ihm stammen?
Autoren, Zeichner und Fotografen haben naturgemäß ein Problem, welches bei Musikern und Filmschaffenden weniger auftritt: Beim Kopieren verschwindet gerne mal die Urheberangabe. Ich habe bisher in der ganzen Debatte noch niemanden gesehen, der das in Ordnung findet. Aber müssen wir als Urheber unbedingt damit zufrieden sein, dass der Übeltäter, der dabei erwischt wurde, einfach die Quellenangabe hinzufügt und sonst so weitermacht wie bisher?
Viele Urheber veröffentlichen den Großteil ihres Schaffens schon jetzt gratis im Netz. Dahinter steht natürlich die Hoffnung, dass einem Teil der Besucher die Inhalte so gut gefallen, dass sie den Schöpfer irgendwie unterstützen, ob sie nun im Webshop bestellen, seine Bücher kaufen oder die Werbebanner anklicken. Für die Urheber ist es daher natürlich wichtig, dass die Seite eine gewisse Exklusivität behält. Würde das nichtkommerzielle Kopieren bedingungslos legalisiert, könnte sich jemand eine Seite aufbauen, auf der er jeden Tag nach und nach alle Inhalte von Nichtlustig, Lawblog, Fernsehkritik.tv, Klopfers Web usw. veröffentlicht. Quasi EBaumsWorld, aber unkommerziell – fürs Erste. Für die Leute, die diese Inhalte mögen, gibt es dann kaum noch eine Motivation, auf die ursprünglichen Seiten der Urheber zu gehen. Schon jetzt ist es ja so, dass die Leute seltener auf den Link zur Quelle eines längeren Textes klicken, wenn sie ihn schon komplett gelesen haben, als wenn sie diesen Text nur im Anriss oder in Form von Zitaten gelesen hätten und auf die Seite des Autors gehen müssten, um ihn komplett lesen zu können. Für die Urheber, die schon versuchen, ohne irgendwelche Verwerter zwischen ihnen und dem Publikum zu arbeiten, ist eine komplette Freigabe privater Kopien eine zusätzliche Erschwernis ihrer Lage.
Allerdings sehe auch ich, dass gewisse Nutzungen von urheberrechtlich geschütztem Material zumindest im nichtkommerziellen Bereich problemlos möglich sein sollten. Wenn jemand meine Texte als Grundlage nimmt, um selbst kreativ zu werden, finde ich das großartig. Dazu zählt aber nicht, sich dabei zu filmen, wie man auf dem Bett sitzt und meine LmD-Antworten vorliest. Auch Parodien sollten wie in den Vereinigten Staaten ohne Probleme erlaubt sein. Derartige Fair-Use-Regeln fehlen momentan im deutschen Urheberrecht oder sind nicht klar genug formuliert.
Es geht um Freiheit
„Freiheit“ ist das Wort, welches in dieser Debatte häufig genannt wird. Der Informationsfluss soll frei sein, und viele meinen, „frei“ bedeute „kostenlos“, obwohl das gar nicht der Kern der Sache ist. Wenn zwischen einem Menschen und einem Kunstwerk nur ein paar Euro stehen, dann ist das keine Unfreiheit, so wie ich nicht unfrei bin, was den Verzehr von Fleisch angeht, bloß weil ich für eine Rostbratwurst im Brötchen über einen Euro zahlen muss.
Wie steht es aber um die Freiheit der Künstler? Sie sollten schließlich die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, in welcher Form und unter welchen Bedingungen sie ihre Werke veröffentlichen. Bekannte Vorschläge für die Reform des Urheberrechts nehmen ihnen diese Freiheit, die eigentlich der Kernpunkt des Urheberrechts überhaupt ist. Ich veröffentliche die meisten meiner Texte im Internet. Jeder kann sie lesen, der auf meine Website geht. Manche Texte veröffentliche ich nur in meinen Büchern, als Dankeschön für diejenigen, die mich durch den Kauf finanziell unterstützen. Ich denke, es ist mir und den ehrlichen Käufern gegenüber fair, wenn diese Texte nicht einfach ohne mein Einverständnis überall erscheinen. Wer Urheber wirklich unterstützen will, sollte das nachvollziehen können.
Gedanken zum Schluss
Was bleibt also von der Debatte um das Urheberrecht? Nichts Konkretes jedenfalls. Schon die Kritik am Urheberrecht selbst ist meistens eher wischiwaschi, kaum jemand benennt mal einen konkreten Paragraphen und sagt, was daran so furchtbar ist und wie man ihn genau ändern sollte. Eine Ausnahme sind die Schutzfristen, die ein Urheberrecht bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers sicherstellen, aber das sind eher Scheingefechte, denn die Leute, die heutzutage wegen Filesharing abgemahnt werden, werden das selten, weil sie Platten von Heinz Erhardt oder Hans Albers hochgeladen haben. In Foren stelle ich meistens eine erschreckende Ahnungslosigkeit fest, was das Urheberrecht überhaupt besagt, schützt, verbietet und erlaubt. Auf dieser Basis ist eine Diskussion über das Urheberrecht natürlich totaler Quatsch, das ist so, als würde man mit einem Blinden über Farben streiten. Der Satz „Die Rechte der Urheber sollen gestärkt werden“ ist genau wie „Natürlich sollen Urheber Geld mit ihren Werken verdienen“ ein reines Lippenbekenntnis, wenn kein konkreter Vorschlag erfolgt, wie das durch ein reformiertes Urheberrecht sichergestellt werden soll. Wer in der Politik für Urheber wählbar sein will, muss sich dessen bewusst sein und darf sich nicht auf diesen Lippenbekenntnissen ausruhen, nur um klagen zu können, dass die eigenen Ziele in den Medien falsch dargestellt worden wären.
Die vorherigen Teile: Teil 1 - Teil 2 - Teil 3
Gast
Yay, wenigstens ein schöner und interessanter Abschluss der Vorlesung, danke Klopfer :-D
Um nicht die von dir erwähnte Ahnungslosigkeit auch hier grassieren zu lassen, halte ich mich thematisch zurück. Aber danke für den Überblick aus der Sicht eines Kunstschaffenden!