Nachrichten des bösen Monats März
Nuff! Ich grüße das Volk!
Eisbär Knut ist letztens gestorben, und wieder einmal zeigte sich, warum man Stimmen aus der Bevölkerung nicht ungefiltert weiterverbreiten sollte, weil es sonst sein kann, dass man den Glauben an die menschliche Intelligenz verliert. Der Bär war noch gar nicht richtig aus dem Wassergraben geholt worden, da spekulierte man schon im Internet (und später auch in den Zeitungen), dass er wegen Einsamkeit oder Mobbing durch die Eisbärdamen in seinem Gehege an gebrochenem Herzen gestorben wäre oder irgendwelche anderen Psychoprobleme gehabt hätte. Knut als Bipolarbär oder so. Und Verschwörungstheorien gibt es auch schon, wie dieser Leserbrief im Berliner Kurier zeigt:
Passt natürlich, dass sich diese Napfsülze so in die "Man hat Knut umgebracht"-Theorie verliebt hat, dass der Typ schon ankündigt, keine offizielle Erklärung zu akzeptieren. Und was ist die offizielle Erklärung? Knut war hirnkrank. Und das nicht in dem Sinne, dass er mal eine Psychotherapie gebraucht hätte, sondern tatsächlich mit sichtbaren Veränderungen im Gehirn. Kein gebrochenes Herz, keine Einsamkeit, kein fieser Killer, der mit einem Blasrohr im Gebüsch hockte, um einen eingesperrten Eisbären abzumurksen. (Nebenbei mal gefragt: Wer hätte was davon? Ich meine, nicht dass man nicht zwischendurch mal ganz fies zu Knut gewesen wäre - man hat ihm ja sogar mal das Essen weggenommen, aber wo soll beim Umbringen das Motiv liegen?)
Nebenbei hat Europa (in Verbindung mit den USA) mal wieder deutlich demonstriert, dass es eine Zicke ist, die nie das macht, worum man sie bittet. Die Rebellen in Libyen (und schließlich auch die Arabische Liga) baten um die Einrichtung einer Flugverbotszone, damit sie nicht von Gaddafis Luftwaffe abgeschlachtet werden, und hier zögerte man ewig herum, bis Gaddafi die meisten Aufständischen abgemurkst hat. Als man sich dann doch dafür entschloss einzugreifen, hielt sich Deutschland zurück, weil... na ja, man hatte gute Geschäfte mit Gaddafi gemacht, und man weiß nicht, ob das mit den neuen Leuten auch so gut gehen würde. Gaddafi ist ja in den letzten zehn, fünfzehn Jahren ja auch zu einem guten Kumpel für die westlichen Länder geworden.
Deutschland macht also nicht mit, aber andere schon, und die haben wohl nur mit halben Ohr hingehört, was sie eigentlich machen sollen. Es war ursprünglich die Rede von einer Flugverbotszone. Und jetzt bombardieren sie auch libysche Panzer. Also entweder sind das echt abgefahrene Panzer, die auch noch fliegen können, oder aber, man macht mehr als eine Flugverbotszone durchzusetzen. Ich glaube nicht, dass das wirklich hilfreich ist, der Bürgerkrieg an sich sollte lieber von den Libyern selbst ausgefochten werden, ohne dass die Industrieländer sich zu sehr einmischen und dann wieder Befürchtungen in den Libyern wach werden, dass sie vom Westen instrumentalisiert werden.
Eins kann man jedenfalls ganz gut an den politischen Unruhen in Libyen, Algerien, Ägypten und Tunesien sehen: Es wäre eine schwachsinnige Idee, die europäische Stromversorgung von Solarzellen in Nordafrika abhängig zu machen. ^^
Apropos Strom: In den Kontrollräumen der Reaktoren 1 und 3 von Fukushima Daiichi gibt es wieder Licht, yay! Nicht aufregend? Ich bin froh, dass ich das Internet habe - aus den deutschen Medien würde ich gar keine erfreulichen Nachrichten aus dem Kernkraftwerk kriegen, weil man sich hier immer noch darauf konzentriert, möglichst negativ zu berichten. Die Versuche, Wasser in die Abklingbecken zu spritzen, wurde ja hier immer als Verzweiflungstat ohne große Chance auf Erfolg dargestellt. Dass es tatsächlich geholfen hat und die Temperaturen dort laut den Messflügen der Armee wirklich deutlich unter 100 Grad liegen - pff, warum soll man das auch erwähnen? Es wurde am Mittwoch berichtet, dass schwarzer Rauch über einem Reaktor gesehen wurde und man das Werk deswegen evakuiert hatte. Dass der Rauch am Donnerstag nicht mehr zu sehen war und man wieder im Werk arbeitete - das war keine Schlagzeile wert. Man verbreitete aufgeregt, dass im Tokioter Trinkwasser die Jod-131-Grenzwerte für Babys bis 12 Monaten überschritten worden waren. Ich glaube, bisher hat in Deutschland keiner so richtig gemeldet, dass die Werte in Tokio wieder darunter sind und die Warnung aufgehoben wurde. Dass zwei Arbeiter sich jetzt eventuell Betastrahlenverbrennungen an den Füßen geholt haben, weil sie in radioaktivem Wasser standen, wird morgen früh bestimmt auch so dargestellt, als würden sie mit dem Tode ringen und alle anderen Mitarbeiter ebenfalls kurz vor dem Exitus stünden. Eher so nebenbei erfährt man aus einem Interview mit einem ARD-Korrespondenten bei Tagesschau.de, dass es die "Fukushima 50" so gar nicht gibt, dass da mehr Leute arbeiten und die auch regelmäßig ausgetauscht werden, damit sie eben nicht zu lange der Strahlung ausgesetzt werden. Hätte ja vielleicht geholfen, wenn man das in der Berichterstattung selbst mal erfahren hätte.
Oder hey, wie wäre es gewesen, wenn man sich mal um das viel größere Unglück drum herum gekümmert hätte? Die vermutlich 25000 Toten? Die Tatsache, dass Leute in den Notunterkünften erfroren sind? Dass Patienten in den Krankenhäusern in den vom Tsunami zerstörten Regionen gestorben sind, weil man sie nicht richtig behandeln konnte? Oder, um mal eine erstaunliche positive Meldung zu bringen: Dass man es geschafft hat, eine zerstörte Autobahn innerhalb von sechs Tagen zu reparieren? (Nehmt euch da mal ein Beispiel, liebe Straßenbaufirmen in Deutschland.)
Kleiner sinnloser Fakt: In Afrika gab es früher natürliche Kernreaktoren. Dort wurde dank der natürlich entstandenen Urankonzentration in der Erde und durch einströmendes Wasser etwa für eine halbe Stunde eine Kettenreaktion am Laufen gehalten, bis das Wasser verdampfte. Die Reaktion kam dann zum Erliegen, bis nach einigen Stunden wieder genug neues Wasser nachgeströmt kam. Vor etwa 1,5 bis 2 Milliarden Jahren war allerdings der Anteil von Uran-235 so gering geworden, dass die natürlichen Kernreaktoren nach einigen hunderttausend Jahren Aktivität erloschen. Heute sind natürliche Kernreaktoren auf der Erde unmöglich. Alle bisher gefundenen Überreste solcher Kernreaktoren befinden sich in Gabun.
Ach ja, vergessen: Die Deutschen, die sich jetzt mit Jod-Tabletten eindecken oder Geigerzähler kaufen, weil sie Schiss vor der Radioaktivität in einem über 9000 Kilometer entfernten Land haben, sind einfach nur behämmert.
Gast
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