Klopfers Büchersekunde
Vor einem halben Jahr gab's mal einen Eintrag namens "Klopfers Bücherminute", und damals hatte ich drei Bücher verrissen. Heute wird's nur eins, deswegen "Klopfers Büchersekunde".
Das Buch, um das es geht, ist die Autobiografie von Apple-Co-Gründer Steve Wozniak, der die ersten Apple-Computer entwickelte. Der Titel des Werkes ist "iWoz", obwohl Wozniak der Firma schon längst den Rücken gekehrt hatte, als die den Buchstaben i entdeckte. Aber das ist nicht der einzige Etikettenschwindel des Buches. Es ist nämlich eigentlich keine Autobiografie in dem Sinne, dass da jemand seine Lebenserinnerungen aufgeschrieben hätte. Entstanden ist das Teil aus über 50 Interviews, die die Co-Autorin Gina Smith mit Wozniak führte, und die Frau hat das Gequassel anscheinend eins zu eins auf Papier übertragen. Der Schreibstil erinnert an Klassenaufsätze von 13-Jährigen:
Was für eine Enttäuschung, denn ich gewinne einfach gerne. Ich wollte schon immer, seit ich denken kann, der Beste sein. Und das war ich auch, weil mir das Glück oft hold war. [...] Ich meine, schon als Kind hatte ich eine Vorstellung davon, was wesentlich ist. Ich sagte mir, schau mal, es ist doch gar nicht so wichtig, dass du bei diesem Wettbewerb einen Preis einheimsen kannst, wenn du weißt, dass du ihn eigentlich schon längst zu Hause hast.
Dazu kommen die vielen Wiederholungen - Gina Smith hielt es offenbar nie für nötig, das zu streichen, was in einem vorherigen Interview schon einmal lang und breit erklärt wurde. Auch geordnet hat sie den Text wohl kaum, denn viel zu oft kommt es auch zu Sprüngen in der Zeit; das Buch ist im Prinzip ein Beispiel dafür, warum es sich rächen kann, keinen Lektor zu beschäftigen. Inhaltlich geht es um das Aufwachsen von Steve Wozniak, seine politische Haltung zum Vietnamkrieg, seine ersten Unternehmungen mit Steve Jobs im Telefonhacker-Bereich und den Bau des Apple I. Wesentlich kürzer abgehandelt werden die Gründung von Apple selbst, der Apple II und was danach kam. Etwas ausführlicher wird noch sein Rockfestival besprochen. Absolut keine Erkenntnisse sollte man sich über Apple-Interna erhoffen. Abgesehen von zwei kleinen Anekdoten gibt's wenig Konkretes über seine Zusammenarbeit mit Steve Jobs (gut kommt der Apple-Guru dabei übrigens nicht weg).
Was kann man denn aber nun aus dem Buch über Steve Wozniak erfahren? Kurz gesagt, dass er der genialste Ingenieur der Welt ist bzw. sich dafür hält. Quer durch das ganze Buch zieht sich wie ein roter Faden, dass Woz von anderen bescheinigt wurde, wie genial er ist, dass er Dinge erfunden hat, an die andere vorher angeblich noch nie gedacht hätten, dass er bescheiden und schüchtern ist. Ich könnte mir in einem Schaufenster beim Ferrari-Händler in der Berliner Prachtstraße Unter den Linden einen von der Palme wedeln, mit Live-Satellitenübertragungen in die ganze Welt und einem Chor, der bei meinem Orgasmus Halleluja singt, und es wäre immer noch dezenter als die Selbstbefriedigung, die dieses Buch darstellt. (Im Kontrast zu Wozniak stellt sich Bill Gates in seinen Büchern wesentlich bescheidener dar und betont eher, dass er halt zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.) Warum Wozniak trotz seiner Genialität ab Mitte der 80er Jahre im Technikbereich nichts mehr reißen konnte, bleibt offen. Die Wahrheit wird in Wozniaks Erinnerungen auch gerne mal strapaziert - dass er so tut, als wenn ihm allein zu verdanken wäre, dass man an Computer Monitor und Tastatur anschließen kann, wird schon durch die damaligen Konkurrenzcomputer widerlegt. In Wozs Erinnerungen ist für viele andere Menschen kein Platz. Die Entwickler der Chips, die er für seine Rechner verwendete? Egal. Die Leute, die mit ihm im Flugzeug saßen, welches er schrottete? Werden irgendwann später mal beiläufig erwähnt. Die Programmierer der Software für Apple-Computer? Abgesehen von denen, die die Tabellenkalkulation VisiCalc entwickelt haben, werden Programmierer eher abschätzig beschrieben.
Und das ist nicht der einzige Aspekt, der Wozniak unsympathisch erscheinen lässt. Einen großen Teil des Buches verschwendet er, um von den Streichen zu erzählen, die er anderen Menschen spielte. Diese Streiche sind allesamt nicht lustig, teilweise sogar ziemlich gemein, und werfen ein übles Licht auf die moralische Geisteshaltung des (zugegebenermaßen begabten) Ingenieurs. Der Mann, der am Anfang des Buches groß davon tönt, dass er nie lügen würde (außer für seine Streiche), berichtet später ungerührt davon, dass er für Steve Jobs Blue Boxes (Geräte, mit denen man das Telefonsystem dazu bringen konnte, kostenlose Telefongespräche zu ermöglichen) produzierte, die dieser dann an zwielichtige Typen verkaufte. Das stellt beide Apple-Gründer in ziemlich übles Licht.
Am Ende des Buches hatte ich jede Menge Respekt für den "zweiten Steve" verloren. Immerhin gehen die fürchterliche Form und der erschreckende Inhalt eine angemessene Symbiose ein, die rund herum sagt, dass selbst ein Preis von 50 Cent auf dem Grabbeltisch zu viel für diese Schwarte wäre, geschweige denn die knapp zehn Euro, die man momentan dafür latzen soll.
Gast
sofort fiel mir die folge bei den simpsons ein, in der bart erklärt hat, was es mit den iPhones wirklich auf sich hat^^