Zukunftsideen, türkischer Knast und Patreon
Nuff! Ich grüße das Volk.
Das wird nach längerer Zeit mal wieder ein Blogeintrag ohne festes Thema, ich lade hier einfach mal ein paar Gedanken ab, die mir so in den Sinn kommen, denn wozu hat man einen Blog?
Wohnen der Zukunft
Vor einigen Tagen hab ich im Fernsehen einen Bericht gesehen, in dem sich Architekten und sonstige Planer über „die Zukunft des Wohnens“ ausließen und fanden, dass doch in Zukunft wieder jeder Mensch weniger Wohnfläche kriegen sollte. Es wurden Konzepte gezeigt (und gelobt), in denen „soziales Leben“ gefeiert wurde: In Zukunft könnte man sich durchaus vorstellen, dass jeder quasi nur noch ein Schlafzimmer kriegt. Ansonsten werden Küche, Bad und Wohnzimmer mit anderen geteilt, alles wird offen, quasi eine riesige Zwangs-WG, die ganze große Wohnhäuser umfasst.
So stell ich mir die Hölle vor. Das können sich nur Leute ausdenken, die wahnsinnig extravertiert sind und für die es unverständlich ist, dass viele Leute eben nicht dauernd mit ihren Mitmenschen konfrontiert sein wollen. Es ist für jede Menge Menschen eben auch eine Wohltat, nach einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause zu kommen und einfach für sich zu sein (höchstens noch mit den Menschen, die einem am nächsten stehen). Früh am Morgen in die Küche zu schlurfen und an der Kaffeemaschine Schlange stehen zu müssen, weil all die anderen auf der Etage ebenfalls heißen Türkentrank brauchen, um in die Gänge zu kommen, ist diesen Planern vermutlich deswegen nie in den Sinn gekommen, weil die sich ihren Kaffee morgens eh auf dem Weg überteuert bei Starbucks holen. Ich bin sicher, die Kriminalitätszahlen sind hier auch deswegen in den letzten Jahrzehnten gesunken, weil die Leute daheim mehr Gelegenheit hatten, sich aus dem Weg zu gehen.
Die USE
Martin Schulz möchte gerne im Hauruck-Verfahren die Vereinigten Staaten von Europa gründen und dabei einfach mal alle Länder rausschmeißen, die dabei nicht mitmachen wollen. Letzteres zeugt schon von einem ausgeprägten Tunnelblick, weil bereits der Austritt eines Landes aus der EU gerade enorme Kopfschmerzen verursacht. Aber auch sonst wundert es mich nicht, dass die Begeisterung in der Bevölkerung nicht übersprudelt: Die EU hat sich (insbesondere in den letzten 10 Jahren) nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert, was sinnvolle Gesetzesinitiativen, Regulierungen und Sensibilität für lokale Befindlichkeiten und Probleme angeht. In dieser Situation jetzt zu fordern, dass der Verein noch mehr Kompetenzen kriegen soll, ist ungefähr so, als würde man eine Mutter, die wegen akuter Unfähigkeit und fortgeschrittenem Alkoholismus das Sorgerecht über ihre Kinder verloren hat, als Erzieherin im Kindergarten einstellen wollen. Das Einzige, was den Ruf der EU in der letzten Zeit gesteigert hat, war das Gefühl „Wenigstens sind wir nicht die USA unter Trump“.
Dänemark, das bessere Deutschland
Ich hab vorhin diesen Artikel darüber gelesen, wie Dänemark für uns ein Vorbild sein könnte, weil da vieles so viel besser organisiert ist und die Bürger sich weniger mit Bürokratie herumschlagen müssen und Projekte viel schneller in Angriff genommen werden können als bei uns. Ich musste ein bisschen grinsen, als da beschrieben wurde, wie sich die Dänen in ihrem Bürgerportal einloggen, allerlei Informationen über sich abrufen und auch ändern können. Können die Deutschen darauf neidisch sein? Klar. Aber das Problem ist gleichzeitig: Die Deutschen würden das nie zulassen. Würde man hier so ein Portal einrichten, würden den Datenschutzbeauftragten der Bundesländer kollektiv die Köpfe explodieren, und vermutlich 20 Prozent der Bevölkerung ebenfalls, weil wir manchmal ziemlich merkwürdige Prioritäten haben. (Ja, sorry, ich weiß, wir hatten das schon mal bei „Frag den Hasen“, aber ich kapiere immer noch nicht, worin jetzt genau das Problem liegt, wenn eine staatliche Behörde Zugriff auf Daten kriegt, die eine andere staatliche Behörde an Pflichtinformationen über jemanden hat, insbesondere wenn man auf diese Weise Prozesse wesentlich vereinfachen könnte und andere Daten wiederum sowieso ganz automatisch ausgetauscht werden.) Gerade was die Straffung von Organisation und Bürokratie angeht, stehen wir uns selber im Weg, insofern ist der sehnsüchtige Blick nach Dänemark oder Estland (wo die digitale Verwaltung ähnlich weit ist) etwas inkonsequent.
Das erinnert mich auch ein bisschen an die Leute im Heise-Forum, die einerseits sichtbar Fans von Star Trek sind, aber andererseits nie ein Amazon Echo oder Google Home in die Wohnung stellen würden, weil man sich damit ja das Zimmer verwanzt. Ja, natürlich, aber wenn Captain Picard mit dem Computer spricht, ist den Zuschauern auch nie störend aufgefallen, dass quasi jeder Raum an Bord des Raumschiffs Enterprise vom Computer belauscht wird.
Inhaftiert in der Türkei
Momentan reden ja wieder viele über den seit Februar in der Türkei inhaftierten Deniz Yücel und dass er endlich freikommen solle. Mich stört allerdings der Tunnelblick der deutschen Medien, als wenn er der Einzige wäre, dem endlich Gerechtigkeit widerfahren müsste. Sagt euch der Name Serkan Gölge etwas? Nein? Der Mann stammt aus der Türkei, ging in die USA, fand dort Arbeit als Wissenschaftler bei der NASA und wurde amerikanischer Staatsbürger. Im letzten Jahr war er zufällig mit seiner Frau im Urlaub im alten Heimatland, als der Putschversuch geschah. Als er zurück nach Hause reisen wollte, wurde er festgenommen und beschuldigt, Handlanger und Spion des Islamistenpredigers Fethullah Gülen zu sein. Beweise unter anderem: sein NASA-Mitarbeiterausweis und eine 1-Dollar-Note in seiner Brieftasche, angeblich ein Erkennungssymbol für Gülen-Anhänger. Der Mann sitzt nun seit etwa anderthalb Jahren in der Türkei im Knast, ohne Verhandlung und ohne wirkliche Unterstützung der US-Regierung. Und daneben gibt es natürlich auch Tausende einheimischer Türken, die unter sicherlich oft eher zweifelhaften Vorwänden eingesperrt wurden. Für die gibt es keine ganzseitigen Anzeigen in türkischen Zeitungen, in denen 200 Künstler (inklusive Nobelpreisträgern) für ihre Freilassung eintreten.
Patreon
Update vom 13. Dezember: Patreon hat bekanntgegeben, die angekündigte Gebührenreform nicht durchzuführen. Der folgende Absatz ist somit gegenstandslos.
Abschließend: Patreon ändert seine Gebührenstruktur. Anstatt die Zahlungsgebühren von dem Spendenbetrag abzuziehen, kommen sie demnächst oben drauf. Da diese Gebühr dann 35 US-Cent plus 2,9 Prozent des Spendenbetrags ausmacht, werden gerade 1-Dollar-Spenden für die Spender deutlich teurer. Jetzt bin ich schon froh, dass ich nicht so viele Patreon-Unterstützer habe, sondern größtenteils direkt hier auf Klopfers Web unterstützt werde, aber andere Künstler machen sich jetzt riesige Sorgen, da ihr Lebensunterhalt von Patreon abhängt und ein großer Teil ihrer monatlichen Einnahmen aus solchen Kleinspenden kommt, die jetzt wegzubrechen drohen.
Ein Grund für die Änderung scheint zu sein, dass Patreon jetzt gerne die Beiträge nicht einfach gesammelt am 1. des Monats einziehen möchte (wodurch nur einmal Transaktionsgebühren entstehen), sondern jeweils taggenau, wodurch natürlich auch jedes Mal die Gebühr des Zahlungsdienstleisters anfällt, über den das Geld eingezogen wird. Trotzdem ist es sehr unglücklich, dass den unterstützten Künstlern nicht mal die Option bleibt, diese Kosten wieder selber zu absorbieren, um nicht so viele Unterstützer zu verschrecken, die feststellen müssen, dass eine 1-Dollar-Spende sie nun fast 1,40 Dollar kostet. Falls ihr Patreon-Unterstützer seid und von der Sache noch nichts mitbekommen habt, denkt drüber nach, ob ihr aus dieser Gebührenänderung Konsequenzen ziehen wollt.
So, genug mit dieser Gedankenwälzerei. Ihr könnt euch jetzt wieder schmutzigen Witzen und Pornografie widmen. Bis dann!
Premiummitglied
Zum Wohnen: Der Gedanke dahinter mag ganz vernünftig sein, aber ich hoffe sehr, dass sich das nicht durchsetzen wird. WGs waren in meinen Augen schon immer nur eine Notlösung.
Zum Vereinigten Europa: Ich bin ein Fan dieser Idee, auch wenn ich die Verwirklichung wohl nicht mehr wirklich erleben werde. Das muss langsam, Stück für Stück gehen. Aber ich denke schon, dass es sinnvoll wäre, ein bisschen vom Nationalstaat abzukommen und einheitliche Regelungen zu bilden. Gerade das europäische Militär ist so wie es jetzt ist völlig nutzlos. Eine Europäische Armee könnte mit viel weniger Mitteln viel mehr erreichen.
Zur digitalen Verwaltung: Es ist aber ja schon ein Unterschied, ob ich mir einen Film anschaue in dem so etwas vorkommt, oder ob ich mir so etwas direkt ins Wohnzimmer stelle.
Aber ich muss dir Zustimmen, Datenschutz ist gut und wichtig, aber die Daten wurden ja alle bereits erhoben und können auch zusammengetragen werden, wenn man entsprechende Anträge stellt. Ich fände es jedenfalls Sinnvoll, dass alles bei einer zentralen Stelle erledigen zu können. Ich hab da vor kurzem eine Studie gelesen, in der es hieß, dass selbst Angestellte der Behörden abraten digitale Angebote zu nutzen, fand ich auch sehr interessant.
Zu den Inhaftierten: Absolut richtig, das kotzt mich auch jedes mal an.
Die Änderung von Pantreon verstehe ich nicht so ganz. Wo liegt da jetzt der Vorteil für irgendwen?