Das absurde Geschäft von Dating-Portalen
Nuff! Ich grüße das Volk.
Am Dienstag trat bei „Die Höhle der Löwen“ auf Vox eine Frau auf, die Geld sammeln wollte, um eine Dating-App zu finanzieren. Im Laufe der Vorstellung erklärte sie, dass die App derzeit kostenlos zu benutzen sei, aber sie ab 5000 Nutzern auf ein Abo-Modell umsteigen wolle, bei dem Männer pro Monat knapp 30 Euro zahlen müssten, Frauen hingegen etwa 10 Euro. Und das ließ mich (mal wieder) darüber nachdenken, wie absurd das Geschäftsmodell dieser Dating-Seiten eigentlich ist.
Es gibt ja eine ganze Reihe von diesen Kennenlern-Portalen, bei denen insbesondere Männer jede Menge Geld für das Privileg zahlen sollen, mit interessierten Frauen Kontakt aufnehmen zu können. Die Frage für mich ist: Was sollte mich dazu bringen, so etwas zu tun? Man muss sich dabei vor Augen führen, dass die Plattform überhaupt kein Interesse daran haben kann, mir den Erfolg zu bescheren, den ich mir erhoffe, wenn ich so ein Abo abschließe. Denn sobald ich eine Freundin gefunden hätte, würde ich natürlich das Abo beenden und somit als Einnahmequelle für das Portal ausfallen. Das ganze Geschäftsmodell dieser Plattformen beruht eigentlich darauf, dass sie in dem, wofür sie bezahlt werden wollen, total schlecht sind. Das ist ein Prinzip, welches ansonsten bloß von Reality-TV-Charakteren wie Daniela Katzenberger oder Mallorca-Jens gepflegt wird.
Nun wirbt Parship ja im Fernsehen damit, dass sich dort alle 11 Minuten ein Single verliebt. Ich bin natürlich ein Zyniker und denke mir: „Dieser Mensch muss eine unheimlich kurze Aufmerksamkeitsspanne haben“, aber es drängt sich auch so schon der Gedanke auf, dass diese Liebe vermutlich zumeist sehr einseitig ist. Es wird auch seinen Grund haben, wieso viele kostenpflichtige Dating-Portale recht unmoralische Methoden anwenden, um zahlende Kunden zu gewinnen und zu behalten. Einerseits wird mit Fake-Profilen der Eindruck erweckt, es wimmele nur so vor willigen Damen, die dann auch noch mit konkreten Mitteilungen einsame Männer anlocken oder sie bei Laune halten, andererseits können die Abo-Bedingungen eine bodenlose Frechheit sein.
Bei Parship zum Beispiel gibt es Premium-Mitgliedschaften, die 6, 12 oder 24 Monate dauern und zwischen ca. 450 Euro und ca. 838 Euro kosten – falls man alles auf einmal bezahlt; bei monatlicher Zahlungsweise gibt’s noch Aufschläge. Und dann muss man auch noch daran denken, rechtzeitig zu kündigen. Die Kündigungsfrist steht nicht in den AGB, die muss man sich selbst aus den Vertragsunterlagen heraussuchen. Sie beträgt 12 Wochen, also wer in seiner Verzweiflung einen Zweijahresvertrag geschlossen hat und sich nicht im Kalender einträgt, 21 Monate später zu kündigen, darf noch mal über 800 Euro abdrücken.
Das ist eine Menge Holz dafür, dass diese Portale einem natürlich nicht garantieren können, tatsächlich einen Menschen anbieten zu können, der einem gefällt und selbst nicht abgeneigt ist. Für Männer ist es noch einmal schwieriger, weil sie a) nicht selten in der Mehrheit sind und b) Frauen ziemlich wählerisch sind. Christian Rudder, einer der Gründer der amerikanischen Dating-Plattform OkCupid, hatte mal die Attraktivitäts-Bewertungen der OkCupid-Mitglieder ausgewertet.* Resultat: Während Männer die Frauen recht ausgeglichen bewerteten, waren Frauen der Meinung, dass 80 Prozent der Männer unterdurchschnittlich attraktiv wären. Frauen stehen dann wohl doch eher auf innere Werte, was sich dann darin äußert, dass Männer mit überdurchschnittlich hohem Einkommen wesentlich häufiger von Frauen angeschrieben wurden.
* Quelle: Dataclysm: Who We Are (When We Think No One's Looking); Deutsche Ausgabe: Inside Big Data: Unsere Daten zeigen, wer wir wirklich sind
Das ist nicht wirklich überraschend und deckt sich mit allerlei psychologischen Studien, die sich damit beschäftigen, was für welches Geschlecht die Attraktivität beeinflusst. Aber es verschärft natürlich die Frage, die sich ein Mann stellen sollte: Warum sollte man – gerade wenn man nicht viel Geld verdient – sehr viel Geld für eine Partnerbörse ausgeben, auf der man dann doch für Frauen eher als unattraktiv gilt und somit kaum bessere Chancen hat, eine Partnerin zu finden, als wenn man sich die Schnapsleichen vor irgendwelchen Bars krallt, die sogar beim Resteficken übrig geblieben sind?
Das ging mir so durch den Kopf, als ich den Pitch bei „Die Höhle der Löwen“ sah. Ich würde daher auch als Geschäftsmann nicht in so ein Unternehmen investieren. Aber offenbar gibt’s ja doch genug Menschen, die einsam und wohlhabend genug sind, um derartige Dating-Portale am Leben zu erhalten.
Wo ich aber gerade darüber gesprochen habe, was man alles für interessante Daten bei solchen Portalen herausfinden kann, fällt mir auch noch eine andere Sache ein, die Christian Rudder in seinem Buch „Dataclysm“ erwähnte. Er hat die Daten von mehreren (amerikanischen) Dating-Portalen mal analysiert, um herauszufinden, ob sich eigentlich im Hinblick auf die Rassen Vorlieben erkennen lassen. Das Resultat: Für Weiße, Asiaten und Latinos sind Schwarze besonders unattraktiv, und zwar bei Männern und Frauen. (Asiatische Männer haben bei nicht-asiatischen Frauen auch eher ein Handicap.)
Das ist besonders spannend, wenn man eine Frage einbezieht, die OkCupid-Nutzer beim Ausfüllen ihres Profils beantworten müssen. Diese Frage lautet: „Würdest du mit einer Person ausgehen, die eine starke Abneigung gegen eine bestimmte Rasse geäußert hat?“ Oder wie Christian Rudder es kurz formulierte: „Würdest du mit einem Rassisten ausgehen?“ 84 Prozent der Nutzer haben darauf mit Nein geantwortet. Und doch zeigt sich eine starke Abneigung gegen eine bestimmte Rasse. Und der Autor fragt natürlich: Ist das Rassismus? Macht es einen zu einem Rassisten, wenn bestimmte Personen nicht ins Beuteschema passen oder einfach nicht attraktiv gefunden werden? Ich denke nicht, da man ja nicht wirklich kontrollieren kann, ob man jemanden attraktiv findet oder nicht. Aber da kann jeder natürlich anderer Meinung sein.
Einer verwandten Frage begegnete ich vor einigen Wochen beim Stöbern im Internet, als auf einer Seite diskutiert wurde, ob Pornodarstellerinnen rassistisch wären, wenn sie nicht mit Schwarzen vor der Kamera Sex haben wollten. Ich bin ja der Meinung, dass man keinen Menschen dazu zwingen kann, mit jemandem zu vögeln, den man nicht attraktiv findet (oder mit dem man aus sonstigen Gründen nicht intim werden will), und es daher auch nicht okay ist, diese Verweigerung jemandem zum Vorwurf zu machen. Das gilt auch, wenn diese Frau den Sex beruflich macht. Die meisten Selbstständigen haben schließlich das Recht, sich selbst auszusuchen, mit wem man arbeitet. Und natürlich würde auch die Frage aufkommen, ob Frauen in der Branche nicht auch bei anderen Männern unter Druck gesetzt werden dürften, mit denen gegen ihren Willen zu drehen, wenn man das bei dieser Rassenfrage tut. Aber da würde mich auch interessieren, was eure Meinung ist.
Das war jetzt thematisch schon eine verworrene Reise, so von „Die Höhle der Löwen“ über Dating-Portale bis hin zur Frage von Rassismus vs. Sexuelle Selbstbestimmung in Pornofilmen… Aber wenn ich ab und zu solche Gedankenströme im Blog schreibe, könnt ihr das hoffentlich mit Gleichmut ertragen.
Bis dann und vergesst nicht zu kommentieren! (Ihr dürft auch gerne schreiben, falls ihr bei so einer Partnerbörse tatsächlich Erfolg hattet.)
Gast
Ich (m) stimme dir bei deinen Ausführungen zu den Datingportalen zu - dennoch, als anekdotischer Einspruch: Meine Verlobte und ich haben uns über eines kennengelernt.