Und das tut Khalda
So, jetzt haben wir alle ausgiebig geraten, Zeit für die Auflösung! Was macht die kleine Khalda denn nun?
Im Begleitbrief steht, dass 925 Millionen Menschen auf der Welt hungern. Dürften also auch einige Millionen in Afrika sein, aber anscheinend kämpfen nicht alle gegen den Hunger, sondern nur Tausende. Der Rest hat vermutlich resigniert und tröstet sich mit Weisheiten wie: "Essen macht bloß das Geschirr dreckig." Es gibt aber noch weitere Informationen im Brief:
Hm, 73 Prozent der Afrikaner leben von weniger als 2 Euro täglich, aber über drei Viertel der Kinder unter 5 Jahren sind ausreichend ernährt. Man könnte daraus schließen, dass 2 Euro täglich reichen? Lasst das bloß nicht den Sarrazin hören. Der hat vor vier Jahren einen Speiseplan für Hartz-IV-Empfänger aufgestellt, der ihnen täglich 3,79 Euro zugesteht. Wenn der diesen Brief liest, rechnet der das glatt noch mal durch.
Den letzten Punkt fand ich auch interessant. Viele afrikanische Bauern verwenden 60 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel? Sollten sie nicht eigentlich die Erzeuger der Lebensmittel sein? Oder sind da Aufwendungen für Futtermittel und Saatgut enthalten? Aber dann wäre eher ein Vergleich mit deutschen Bauern angebracht, oder? Und überhaupt: Wie viel bezahlen diese afrikanischen Bauern eigentlich an Miete, hm? Macht da mal einen Vergleich mit Durchschnittsdeutschen! Perspektive, Leute, Perspektive!
Zufälligerweise lief gerade auf Arte die Dokumentation "Ohne Pfeil und Bogen - Buschmänner in der Kalahari", und dort sagte eine der Buschfrauen, dass die Einstellung kostenloser Lebensmittellieferungen die größte Hilfe für die Leute wäre, damit sie lernen, wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Das ist keine neue Idee. Khaldas Landsmann James Shikwati predigt seit Jahren, dass man die Entwicklungshilfe streichen sollte. In das gleiche Horn stößt Dambisa Moyo aus Sambia. Und die Zahlen sprechen für sie. Die Länder, die seit ihrer Unabhängigkeit am meisten Entwicklungshilfe bekommen haben, sind damals wie heute die ärmsten Länder Afrikas.
Entwicklungshilfe ist (gerade in Afrika) in gewisser Weise moderner Kolonialismus. Der weiße Mann kommt zu den schwarzen Wilden, erhält sie am Leben und zeigt ihnen, was sie vorher alles falsch gemacht haben. Nebenbei sorgt man dafür, dass die alle ewig abhängig bleiben, weil all die Hilfe sicherstellt, dass die einheimische Wirtschaft mangels Konkurrenzfähigkeit am Boden bleibt. Dinge wie Schulen und Krankenhäuser, die der Staat bezahlen sollte, werden von Hilfsorganisationen finanziert - gut, so bleibt dem Staat mehr Geld für Waffenkäufe und die protzigen Paläste von Diktatoren. Nur beruhigt man nebenbei sein Gewissen in dem Glauben, etwas Gutes zu tun, weil man dem Irrglauben anhängt, uns in den Industrieländern würde es deswegen gut gehen, weil wir die Dritte Welt ausbeuten würden. Dabei findet gerade mit den armen Ländern Afrikas so wenig Handel statt (unter anderem deswegen sind sie ja so arm), dass wir kaum merken würden, wenn sie nicht mehr da wären. Im Prinzip ist auch ein gehöriger Schwung unterschwelliger Rassismus dabei: "Ihr kriegt von selbst ja eh nichts hin, deswegen müssen wir euch die Händchen halten!"
Bei einer Folge von "Raumschiff Enterprise" fragt Dr. McCoy Captain Kirk: "Weißt du, was du kriegst, wenn du einen Tribble überfütterst?" "Einen fetten Tribble." "Nein, einen ganzen Haufen kleiner, hungriger Tribbles." In etwa gilt das für alle Tiere, inklusive der Menschen. Und so grausam wie es ist: Wir tun den afrikanischen Ländern keinen Gefallen dabei, eigenständig zu werden, wenn wir mit unseren Hilfsgütern ein Bevölkerungswachstum stützen, was sie aus eigener Kraft noch gar nicht am Leben erhalten können. Deswegen mussten in Äthiopien, einem stolzen, nie kolonialisierten Land mit 80 Millionen Einwohnern, im Jahr 2009 13 Millionen Menschen mit ausländischem Geld ernährt werden. (Übrigens hatte Äthiopien im Jahr 1985, als Live Aid den Hunger in diesem Land in den Fokus rückte, nur 40 Millionen Einwohner.)
Gegen Katastrophenhilfe habe ich absolut nichts - aber wenn man nach den Bettelbriefen der Hilfsorganisationen geht, ist der Hunger seit Jahrzehnten trotz ständiger Hilfe Dauerzustand. Und da sollte man doch mal überlegen, ob diese Art Hilfe tatsächlich der richtige Weg ist.
Gast
Wieder einmal kann ich dir nur zustimmen... bei allem, eigentlich.